4. Von doppelten Meinungen über den Sinn der hl. Schriften.
Deßhalb können wir über Das, was in offener, klarer Weise ausgesprochen ist, auch beharrlich lehren und ohne Furcht unsere Meinung aussprechen. Was aber der göttliche Geist in den hl. Schriften verhüllt darbietet, indem er erst auf unser Nachdenken und Mühen wartet und will, daß es erst durch gewisse Anzeichen und Vermuthungen erschlossen werde, Das muß so vorsichtig und Schritt für Schritt beigebracht werden, daß die Bejahung oder Bestätigung desselben dem freien Willen des Redenden und Hörenden anheimgestellt bleibt. Denn zuweilen, wenn über eine Sache verschiedene Lehren vorgebracht werden, kann man jede für vernünftig erklären und sie ohne Gefahr für den Glauben entweder fest oder halbhin annehmen, d. h. so, daß man ihr weder volle Glaubwürdigkeit noch volle Verwerfung zuerkennt; da darf dann die eine der andern S. a513 keinen Abbruch thun, da ja keine als dem Glauben feindlich erfunden wird; so ist es z. B. mit der Ansicht, 1 daß Elias in Johannes gekommen sei und vor der Ankunft Christi wieder kommen werde, und mit dem Gräuel der Verwüstung, der am heiligen Orte stand in jenem Bildniß Jupiters, das, wie wir lesen, sich zu Jerusalem im Tempel befand und wieder in der Kirche stehen soll bei der Ankunft des Antichrists. 2 Daher gehört auch all Jenes, was im Evangelium folgt, und was sowohl von dem zu verstehen ist, was sich bei Eroberung Jerusalems erfüllt hat, als von Dem, was sich am Ende dieser Welt noch erfüllen soll. Keine von diesen Meinungen darf die andere bekämpfen noch das erstere Verständniß das zweite verdrängen.
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Hier dürfen wir die Ansicht des guten Vaters Serenus wieder nicht so hingehen lassen. Es ist entschieden irrig, daß Christus gelehrt habe, der persönliche Elias sei in Johannes wieder gekommen. Ein Blick auf Matth. 11, 14 u. 17, 10 lehrt uns, daß hier nur von einer Vergleichung die Rede ist. Ferner steht es uns gar nicht so frei, zu glauben oder nicht, daß der persönliche Elias vor der zweiten Ankunft Christi wieder kommen werde, da Schrift und Väter Dieß zu deutlich lehren. ↩
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Der Gräuel der Verwüstung, den Daniel 9, 27 vorhersagt und Christus Matth. 24, 15 bespricht, kann allerdings in jenem Götzenbilde des Antiochus Epiphanes (I. Makkab. 1, 57) gefunden werden, aber auch in den Gräueln, welche die Juden während der Belagerung durch Titus im Tempel verübten, und in der folgenden Zerstörung des Tempels &c. ↩