36. Von der Nützlichkeit eines kurzen, stillen Gebetes.
Man muß also häufig beten, aber kurz, damit nicht bei langer Dauer der nachstellende Feind unsern Herzen irgend Etwas einflößen könne. Das nemlich ist das wahre Opfer, weil ein betrübter Geist ein Opfer ist vor Gott. Das ist eine heilsame Gabe, das sind reine Trankopfer und Opfer der Gerechtigkeit und Lobopfer; das sind wahre und fette Schlachtopfer, markreiche Brandopfer, die mit zerknirschten und demüthigen Herzen dargebracht werden; und wenn wir diese mit besagter Zucht und Geisteseifrigkeit üben, dann können wir mit Kraft und Wirkung singen: 1 „Es steige mein Gebet wie Rauchwerk vor deinem Angesichte auf, meiner Hände Erheben wie Abendopfer.“ Das nun mit entsprechender Andacht zu thun, mahnt auch uns die vorgerückte Stunde und die Nacht. Obwohl wir nun hierüber, wenn man nur auf unsere Armseligkeit sieht, Vieles vorgebracht zu haben scheinen und die Unterredung weit ausgedehnt haben, so glauben wir doch in Hinsicht aus die Erhabenheit und Schwierigkeit des Gegenstandes nur wenig durchgenommen zu haben. Durch diese heiligen Reden mehr S. a578 erstaunt als gesättigt feierten wir das Abendgebet und gaben den Gliedern ein wenig Erholung im Schlafe. Mit dem Vorsatze, beim ersten Morgenlicht mit der Bitte um eine vollständigere Abhandlung zurückzukommen, gingen wir in unser Gemach, voll Freude sowohl über die erhaltenen Vorschriften als auch über die Sicherheit der weiter versprochenen. Wir fühlten ja, daß uns wohl nur die Vortrefflichkeit des Gebetes bewiesen sei, daß wir aber die Ordnung und die Tugend, durch welche auch die Beständigkeit desselben erreicht oder bewahrt werden kann, durch jene Besprechungen noch nicht ganz erfaßt hätten.
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Ps. 140, 2. ↩