6. Frage, ob man sich an die frühern Sünden erinnern dürfe zum Zwecke der Herzenszerknirschung.
Woher aber soll uns jene heilige und heilsame Zerknirschung der Demuth kommen, die aus dem Munde des Sünders so beschrieben wird: 1 „Meine Sünde machte ich dir bekannt, und meine Ungerechtigkeit verbarg ich nicht. Ich habe es gesagt, bekennen werde ich gegen mich meine Ungerechtigkeit dem Herrn.“ So nur könnten wir ja Das, was folgt, in Wahrheit zu sagen verdienen: „Und du hast verziehen die Ruchlosigkeit meines Herzens.“ Oder wie werden wir im Gebete niedergeworfen uns zu Thränen der Reue erwecken können, durch welche wir Verzeihung der Sünden zu erlangen verdienen nach jener Stelle: 2 „Ich wasche jede Nacht mein Bett, mit meinen Thränen benetze ich mein Lager“ —; wenn wir das Andenken an unsere Sünden aus unsern Herzen verbannen, das wir im Gegentheile dem Befehle gemäß beharrlich bewahren sollen, wie der Herr sagt: 3 „Und deiner Bosheit will ich nicht gedenken, du aber denke daran“? Deßhalb strenge ich mich nicht nur bei der Arbeit, sondern auch beim Gebete an, meinen Geist absichtlich zur Erinnerung an meine Sünden zurückzurufen, damit ich lebhafter zur wahren Demuth und Herzenszerknirschung mich neige und wagen darf, mit dem Propheten zu sagen: 4 „Sieh meine Demuth und meine Mühsal, und verzeih mir all meine Sünden!“