2. Von der Frage des Abtes Moyses, der untersucht, welche Bestimmung und welches Ziel der Mönch habe.
Alle Künste und Wissenschaften, sagte er, haben einen S. a289 σκοπός, das ist eine Bestimmung, und ein τέλος, das ist ein eigenes Ziel; darauf hinblickend erträgt Jeder, der eine Kunst eifrig anstrebt, gleichmüthig und gerne alle Mühen und Gefahren und allen Aufwand. Denn auch der Landmann scheut weder die sengenden Strahlen der Sonne noch Reif und Eis und durchfurcht unermüdlich die Erde und zwingt die unbewältigten Schollen wieder und wieder unter die Pflugschar, indem er seine Absicht festhält, die von allen Dornen gereinigte und allem Unkraut befreite Erde durch diese Bearbeitung wie zerreiblichen Sand zu verkleinern. Er glaubt sicher, daß er nur durch seine Mühe und seinen Schweiß den Endzweck erreichen könne, nemlich die Ernte reicher Früchte und voller Ähren, wodurch er fürderhin sorglos zu leben oder sein Vermögen zu vermehren im Stande sei. Ebenso nimmt er, wenn die Scheune von Früchten voll ist, gerne davon und vertraut sie den lockern Furchen an mit eiliger Mühe, ohne Betrübniß über die gegenwärtige Verminderung wegen der Aussicht auf zukünftige Ernte. Auch Die, welche Handel treiben, fürchten nicht die unsichern Zufälle der Meerfahrt und scheuen keine Gefahr, da sie die Hoffnung auf Lohn und der Endzweck des Erwerbes reizt. Ferner Jene, welche von weltlichem militärischem Ehrgeiz brennen, haben kein Gefühl für die todbringenden Gefahren der Märsche, da sie auf den Endzweck der Ehre und Macht schauen, und sie werden nicht gebeugt durch die gegenwärtigen Mühen und Kämpfe, da sie das vorgesteckte Ziel hoher Würden zu erreichen streben. 1 Es hat also auch unser Stand eine eigene Bestimmung und seinen Endzweck, in Rücksicht auf welchen wir alle Anstrengungen nicht nur unermüdet, sondern auch gerne aufwenden, so daß uns der Hunger des Fastens nicht ermattet, die Müdigkeit des Nachtwachens uns ergötzt, die be- S. a290 ständige Lesung und Betrachtung der hl. Schriften uns nicht sättigt, auch die unaufhörliche Arbeit, die Blöße und der Mangel an Allem, ja selbst diese schaurige, ödeste Wüsteneinsamkeit uns nicht abschreckt. Wegen dieses Zieles habt ohne Zweifel auch ihr die Neigung zu den Angehörigen verachtet, den heimathlichen Boden und die Freuden der Welt bei der Wanderung durch so viele Gegenden gering geschätzt, um zu uns ungebildeten und unwissenden Menschen zu kommen, die wir in dieser rauhen Wüste leben. Antwortet mir deßhalb, sagte er, welches die Absicht oder der Zweck sei, der euch antrieb, all Dieß so gerne zu übernehmen.
Man sieht, der ganze Unterschied zwischen σκοπός und τέλος ist nur der des nächsten und letzten Zweckes oder Zieles. ↩
