7. Seine Flucht [während der decischen Verfolgung] und ihre Rechtfertigung durch seine nachherige schriftstellerische Tätigkeit.
So erlangte er denn auch für solche Verdienste sogleich den Ruhm der Ächtung1. Es fehlte ja nur noch das eine, daß er, der in der geheimen Verborgenheit seines Inneren im vollen Ruhme der Frömmigkeit und des Glaubens strahlte, auch öffentlich unter den Heiden einen berühmten Namen bekam. Bei der Schnelligkeit, mit der er stets alles erreichte, hätte ihm damals auch die ihm gebührende Märtyrerkrone rasch zuteil werden können, zumal ja auch immer und immer wieder der Ruf ertönte: „Vor die Löwen mit ihm!“2 Aber es war ihm bestimmt, erst alle Stufen des Ruhmes zu durchlaufen, bis er so den Höhepunkt erreichte, und die damals vom Untergang bedrohte Kirche brauchte notwendig die Hilfe eines so reichen Geistes. Denn3 angenommen, er wäre damals des Martyriums gewürdigt und hinweggenommen worden: wer hätte dann den Segen der mit dem Glauben fortschreitenden Gnade aufzeigen sollen?4 Wer hätte dann die Jungfrauen durch die S. 16 Lehren des Herrn wie mit Zügeln zu einer der Keuschheit entsprechenden Zucht und zu einer der Heiligkeit würdigen Tracht angehalten?5 Wer hätte die Gefallenen Buße gelehrt6, die Abgefallenen die Wahrheit, die Abtrünnigen die Einigkeit7, die Söhne Gottes den Frieden und das Gesetz des evangelischen Gebets?8 Wer hätte dann die lästernden Heiden bezwungen und ihre Vorwürfe gegen uns auf sie selbst zurückgeschleudert?9 Wer hätte die Christen in ihrer allzu tiefen Betrübnis über den Verlust der Ihrigen oder, was noch schlimmer ist, in ihrer Kleingläubigkeit durch die Aussicht auf die kommenden Dinge zu trösten vermocht?10 Vom wem hätten wir so trefflich die Barmherzigkeit11, vom wem die Geduld gelernt?12 Wer hätte die aus der giftigen Bosheit des Neides stammende Mißgunst durch ein so süßes, heilbringendes Mittel unterdrückt?13 Wer hätte solche Märtyrer durch die Mahnung des göttlichen Wortes zu ermuntern verstanden?14 Wer hätte endlich die vielen schon zum zweiten Male auf ihrer Stirne gezeichneten Bekenner, die als Beispiele für das Martyrium noch am Leben behalten wurden, durch das schrille Schmettern der himmlischen Posaune angefeuert?15 Gut, wirklich gut traf es sich damals, eine wahrhaft geistliche Fügung war es da, daß ein für so viele und für so gute Ziele unentbehrlicher Mann noch nicht zur Vollendung des Martyriums gelangte. Wollt ihr Gewißheit haben, daß er sich damals nicht aus Furcht zurückzog? Um von jeder anderen Entschuldigung abzusehen; er hat ja selbst später den S. 17 Märtyrertod wirklich erlitten; ihm hätte er sich doch sicherlich wiederum entzogen, wenn er es schon das erste Mal getan hätte. Allerdings hatte er damals Furcht, aber eine berechtigte: die Furcht nämlich, die sich scheute, den Herrn zu beleidigen, eine Furcht, die lieber den Geboten Gottes gehorchen, als im Widerspruch mit ihnen die Märtyrerkrone gewinnen wollte. Denn bei seinem in allen Dingen Gott geweihten Sinn und in seinem den göttlichen Mahnungen blind ergebenen Glauben16 war er überzeugt, daß selbst das Leiden Sünde für ihn wäre, wenn er nicht dem Herrn gehorchte, der ihm damals gebot, sich zurückzuziehen.
Vgl. Cypr. Brief 66, Kap. 4. ↩
Vgl. Cypr. Brief 20, Kap. 1 und Brief 59, Kap. 6. ↩
Hier beginnt das Verzeichnis der Schriften Cyprians. S. o. S. LIII. ↩
= 'Ad Donatum'. ↩
= 'De habitu virginum'. ↩
= 'De lapsis'. ↩
= 'De catholicae ecclesiae unitate'. ↩
= 'De Dominica oratione'. ↩
= 'Ad Demetrianum'. ↩
= 'De Mortalitate'. ↩
= 'De opere et eleemosynis'. ↩
= 'De bono patientiae'. ↩
= 'De zelo et livore'. ↩
= 'Ad Fortunatum'. ↩
Auf welche Schrift Cyprians dieser Satz abzielt, läßt sich nicht bestimmt sagen; vielleicht auf Brief 76. ↩
So nach der Lesart jüngerer Handschriften: 'fides' statt 'sic de'. ↩
