Edition
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Dialogos contra Pelagianos Admonitio
11.
Ex Evangelii praeceptis. — Transeamus ad Evangelia, et Apostolicos igniculos clarissima Christi lampade compleamus. Omnis, ait, qui irascitur fratri suo sine causa, reus erit judicio. Qui autem dixerit RACA (quod interpretatur vanus et absque cerebro) reus erit concilio: haud dubium quin Sanctorum et Angelici senatus. Qui autem dixerit fatue, reus erit gehennae ignis (Matth. V, 22). Quis nostrum potest huic vitio non subjacere, cum etiam pro otioso verbo reddituri simus rationem in die judicii? Si ira et sermonis injuria atque interdum jocus judicio, concilioque, et gehennae ignibus delegatur; quid merebitur turpium rerum appetitio, et avaritia, quae radix est omnium malorum? Si, inquit, offers donum tuum ad altare, et ibi fueris recordatus, quia frater tuus habet aliquid adversus te, dimitte ibi donum tuum ante altare, et vade primum, reconciliare fratri tuo, et tunc veniens offeres munus tuum (Matth. V, 23, 24). Meae est potestatis, ut non habeam aliquid contra fratrem meum. Ut autem ille adversus me habeat, aut non habeat, in illius voluntate consistit. Quid ergo faciam, si ille reconciliari noluerit? Obsecrem? flectam genua? Sed audire contemnet. An obtorto collo nolentem in jus amicitiae traham? Et quae est major inimicitia, quam amicitias necessitate sociare? Neque enim dixit: Roga eum ut tibi concilietur; sed, Reconciliare primum fratri tuo, et sic offeres munus tuum ad altare. Non quod impossibilia Deus praeceperit; sed in tantum patientiae culmen ascendit, ut prope impossibilia pro difficultate nimia praecepisse videatur (Matth. XVIII, et Marc. IX): ad destruendam sententiam tuam, qua scribis, Facilia esse Dei mandata. Scandalizantem manum, oculum et pedem jubemur abscindere. Esto per tropologiam dictum sit, pro amicissimis, et pro consanguineis, et fraterno nobis et conjugali amore sociatis; facilene arbitramur ob quasdam offensas tantam subito abscindere charitatem? Quodque dicitur: Sit sermo vester, est est, non non, quod autem amplius est, a malo est (Matth. V, 37): forsitan de vestra schola reperiatur, qui numquam mentitus sit, nec audierit illud Propheticum et Apostolicum, Ego dixi in excessu mentis meae, Omnis homo mendax (Psal. CXV, 2), et nesciat scriptum in alio loco: Os quod mentitur, occidit animam (Sap. I, 11). Verberanti maxillam, alteram jubemur opponere. Tollenti tunicam, etiam pallium concedendum est. Angarianti se mille passibus, duobus millibus colla praebenda sunt. Petenti te da, et volentem a te accipere mutuum, ne averseris (Luc. VI, 30). Si duos nummulos habuero, et alius poposcerit, aut dabo ipsi, et mihi mendicandum erit, aut si non dedero, transgressor legis inveniar. Illud autem quod dicitur: Diligite inimicos vestros, benefacite his qui oderunt vos, et orate pro persequentibus et calumniantibus vos (Ibid., 27, 28): forsitan in vestro coetu invenitur, apud nos rara avis est. Qui peccata simpliciter confitentur, merentur humilitate clementiam Salvatoris: quodque sequitur, Cavete, ne justitiam, hoc est, eleemosynam vestram, faciatis coram hominibus, ut videamini ab eis (Matth. VI, 1): nescio quis possit implere. Ad largiendum frustum panis et binos nummulos praeco conducitur, et extendentes manum, huc illucque circumspicimus, quae si nullus viderit, contractior fit. Esto unus de mille inveniatur, qui ista non faciat.
Übersetzung
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Dialog gegen die Pelagianer (BKV)
11.
Ich will nun zu den Evangelien übergehen und die kleinen Feuer der Apostel durch die helle Flamme der Lehre Christi ergänzen. Da heißt es: „Jeder, der seinem Bruder grundlos zürnt, wird des Gerichtes schuldig sein. Wer aber Raca (soviel wie eitel und ohne Gehirn) sagt, wird des Rates (der Heiligen und der Engel) schuldig sein. Wer aber Tor sagt, wird des S. 422 höllischen Feuers schuldig sein“1. Wer von uns kann sich von diesem Fehler frei fühlen, da wir selbst wegen eines unnützen Wortes Rechenschaft ablegen werden am Tage des Gerichts?2 Wenn schon Zorn und ungerechte Rede, ja zuweilen ein Scherzwort, dem Gerichte, dem Rate und dem höllischen Feuer überwiesen werden, welche Strafe wird dann wohl für das Verlangen nach unehrbaren Dingen und für den Geiz, welcher die Wurzel aller Übel ist3, festgesetzt sein? — „Wenn du deine Gaben zum Altare bringst und es fällt dir dortselbst ein, daß dein Bruder etwas gegen dich hat, dann laß deine Gabe vor dem Altare zurück und gehe zuerst hin, um dich mit deinem Bruder zu versöhnen, und dann komme und bringe deine Gabe dar!“4 Es liegt in meiner Macht, nichts gegen meinen Bruder zu haben. Ob er aber etwas gegen mich hat oder nicht, das hängt von seinem Willen ab. Was soll ich tun, wenn er sich nicht versöhnen will? Soll ich ihn beschwören? Soll ich vor ihm auf die Knie fallen? Aber er wird es ablehnen, auf mich zu hören. Soll ich ihn, wofern er nicht will, am Halse packen und mit Gewalt in die Gerechtsame der Freundschaft hineinziehen? Gibt es eine größere Feindschaft als Freundschaften, die unter Anwendung von Gewalt zustande kommen? Es heißt nämlich nicht: „Bitte ihn, daß er sich mit dir versöhne!“ sondern: „Versöhne dich zuerst mit deinem Bruder, und dann opfere deine Gabe auf dem Altare!“ Nicht als ob Gott etwas Unmögliches zur Pflicht gemacht hätte, aber er verlangt einen solchen Grad von Geduld, daß es scheinen möchte, er ordne beinahe Unmögliches, nicht nur etwas außergewöhnlich Schwieriges an. Dies zur Widerlegung deiner Aufstellung, daß die Gebote Gottes leicht seien. — Es wird uns befohlen, die Hand, das Auge und den Fuß, falls sie uns zum Ärgernisse gereichen, abzuhauen5. Ich gebe zu, daß dies bildlich zu verstehen ist von solchen, die durch enge S. 423 Freundschaft und Blutsverwandtschaft, durch Bruder- und Gattenliebe mit uns vereinigt sind. Meinen wir nicht allzu leicht, daß ein derartiges Liebesband wegen einiger Beleidigungen plötzlich auseinanderzureißen sei? — Was das Wort: „Eure Rede sei: Ja, ja; nein, nein! Was aber darüber ist, ist vom Bösen“6 angeht, so findet sich vielleicht in eurer Schule einer, der niemals gelogen und auch niemals das Propheten- und Apostelwort vernommen hat: „Darum sprach ich in meiner Verzagtheit: Jeder Mensch ist ein Lügner“7, dem auch das andere Schriftwort unbekannt geblieben ist: „Der Mund, welcher lügt, tötet die Seele“8. — Wer uns auf eine Wange schlägt, dem sollen wir die andere hinhalten9. Demjenigen, welcher den Rock nimmt, soll man obendrein noch den Mantel geben10. Wenn dich jemand auf tausend Schritte zum Frondienste zwingt, dann sollst du ihm deinen Dienst für zweitausend Schritte anbieten11. Dem, der dich bittet, gib, und von dem, der von dir borgen will, wende dich nicht ab!12 Wenn ich zwei Geldstücke habe und ein anderer bittet darum, dann werde ich sie ihm entweder geben, um dann selbst betteln zu müssen, oder ich werde, wenn ich sie ihm nicht gebe, als Gesetzesübertreter befunden werden. — Das Wort: „Liebet eure Feinde, tuet Gutes denen, die euch hassen, und bittet für diejenigen, die euch verfolgen und verleumden“13 findet vielleicht in eurem Kreise Beachtung; bei uns ist es ein seltener Vogel. Wer seine Sünden schlicht bekennt, verdient durch seine Demut die Gnade des Erlösers. — Wenn ich an den folgenden Ausspruch denke: „Hütet euch, daß ihr eure Gerechtigkeit, d. h. euer Almosen nicht vor den Menschen übet, um von ihnen gesehen zu werden!“14, so weiß ich nicht, wer ihm gerecht zu werden vermag. Wir mieten einen Diener, um ein Stückchen Brot und zwei Geldstücke zu spenden, und wir sehen uns nach allen Seiten S. 424 um, wenn wir die Hand ausstrecken, die, wofern sie niemand sieht, sich weniger weit öffnet. Es mag sein, daß unter tausend sich einer findet, der nicht in dieser Weise verfährt.
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Matth. 5, 22. ↩
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Matth. 12, 36. ↩
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1 Tim. 6, 10. ↩
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Matth. 5, 23 f. ↩
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Matth. 5, 29 f.; 18, 8 f.; Mark. 9, 42. 44. 46. ↩
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Matth. 5, 37. ↩
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Ps. 115, 2 [Hebr. Ps. 116, 11]. ↩
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Weish. 1, 11. ↩
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Matth. 5, 39; Luk. 6, 29. ↩
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Matth. 5, 40. ↩
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Matth. 5, 41. ↩
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Matth. 5, 42. ↩
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Matth. 5, 44; Luk. 6, 27 f. ↩
-
Matth. 6, 1. ↩