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Werke Hieronymus (347-420) Dialogi contra Pelagianos libri III Dialog gegen die Pelagianer (BKV)
II. Buch

11.

Ich will nun zu den Evangelien übergehen und die kleinen Feuer der Apostel durch die helle Flamme der Lehre Christi ergänzen. Da heißt es: „Jeder, der seinem Bruder grundlos zürnt, wird des Gerichtes schuldig sein. Wer aber Raca (soviel wie eitel und ohne Gehirn) sagt, wird des Rates (der Heiligen und der Engel) schuldig sein. Wer aber Tor sagt, wird des S. 422 höllischen Feuers schuldig sein“1. Wer von uns kann sich von diesem Fehler frei fühlen, da wir selbst wegen eines unnützen Wortes Rechenschaft ablegen werden am Tage des Gerichts?2 Wenn schon Zorn und ungerechte Rede, ja zuweilen ein Scherzwort, dem Gerichte, dem Rate und dem höllischen Feuer überwiesen werden, welche Strafe wird dann wohl für das Verlangen nach unehrbaren Dingen und für den Geiz, welcher die Wurzel aller Übel ist3, festgesetzt sein? — „Wenn du deine Gaben zum Altare bringst und es fällt dir dortselbst ein, daß dein Bruder etwas gegen dich hat, dann laß deine Gabe vor dem Altare zurück und gehe zuerst hin, um dich mit deinem Bruder zu versöhnen, und dann komme und bringe deine Gabe dar!“4 Es liegt in meiner Macht, nichts gegen meinen Bruder zu haben. Ob er aber etwas gegen mich hat oder nicht, das hängt von seinem Willen ab. Was soll ich tun, wenn er sich nicht versöhnen will? Soll ich ihn beschwören? Soll ich vor ihm auf die Knie fallen? Aber er wird es ablehnen, auf mich zu hören. Soll ich ihn, wofern er nicht will, am Halse packen und mit Gewalt in die Gerechtsame der Freundschaft hineinziehen? Gibt es eine größere Feindschaft als Freundschaften, die unter Anwendung von Gewalt zustande kommen? Es heißt nämlich nicht: „Bitte ihn, daß er sich mit dir versöhne!“ sondern: „Versöhne dich zuerst mit deinem Bruder, und dann opfere deine Gabe auf dem Altare!“ Nicht als ob Gott etwas Unmögliches zur Pflicht gemacht hätte, aber er verlangt einen solchen Grad von Geduld, daß es scheinen möchte, er ordne beinahe Unmögliches, nicht nur etwas außergewöhnlich Schwieriges an. Dies zur Widerlegung deiner Aufstellung, daß die Gebote Gottes leicht seien. — Es wird uns befohlen, die Hand, das Auge und den Fuß, falls sie uns zum Ärgernisse gereichen, abzuhauen5. Ich gebe zu, daß dies bildlich zu verstehen ist von solchen, die durch enge S. 423 Freundschaft und Blutsverwandtschaft, durch Bruder- und Gattenliebe mit uns vereinigt sind. Meinen wir nicht allzu leicht, daß ein derartiges Liebesband wegen einiger Beleidigungen plötzlich auseinanderzureißen sei? — Was das Wort: „Eure Rede sei: Ja, ja; nein, nein! Was aber darüber ist, ist vom Bösen“6 angeht, so findet sich vielleicht in eurer Schule einer, der niemals gelogen und auch niemals das Propheten- und Apostelwort vernommen hat: „Darum sprach ich in meiner Verzagtheit: Jeder Mensch ist ein Lügner“7, dem auch das andere Schriftwort unbekannt geblieben ist: „Der Mund, welcher lügt, tötet die Seele“8. — Wer uns auf eine Wange schlägt, dem sollen wir die andere hinhalten9. Demjenigen, welcher den Rock nimmt, soll man obendrein noch den Mantel geben10. Wenn dich jemand auf tausend Schritte zum Frondienste zwingt, dann sollst du ihm deinen Dienst für zweitausend Schritte anbieten11. Dem, der dich bittet, gib, und von dem, der von dir borgen will, wende dich nicht ab!12 Wenn ich zwei Geldstücke habe und ein anderer bittet darum, dann werde ich sie ihm entweder geben, um dann selbst betteln zu müssen, oder ich werde, wenn ich sie ihm nicht gebe, als Gesetzesübertreter befunden werden. — Das Wort: „Liebet eure Feinde, tuet Gutes denen, die euch hassen, und bittet für diejenigen, die euch verfolgen und verleumden“13 findet vielleicht in eurem Kreise Beachtung; bei uns ist es ein seltener Vogel. Wer seine Sünden schlicht bekennt, verdient durch seine Demut die Gnade des Erlösers. — Wenn ich an den folgenden Ausspruch denke: „Hütet euch, daß ihr eure Gerechtigkeit, d. h. euer Almosen nicht vor den Menschen übet, um von ihnen gesehen zu werden!“14, so weiß ich nicht, wer ihm gerecht zu werden vermag. Wir mieten einen Diener, um ein Stückchen Brot und zwei Geldstücke zu spenden, und wir sehen uns nach allen Seiten S. 424 um, wenn wir die Hand ausstrecken, die, wofern sie niemand sieht, sich weniger weit öffnet. Es mag sein, daß unter tausend sich einer findet, der nicht in dieser Weise verfährt.


  1. Matth. 5, 22. ↩

  2. Matth. 12, 36. ↩

  3. 1 Tim. 6, 10. ↩

  4. Matth. 5, 23 f. ↩

  5. Matth. 5, 29 f.; 18, 8 f.; Mark. 9, 42. 44. 46. ↩

  6. Matth. 5, 37. ↩

  7. Ps. 115, 2 [Hebr. Ps. 116, 11]. ↩

  8. Weish. 1, 11. ↩

  9. Matth. 5, 39; Luk. 6, 29. ↩

  10. Matth. 5, 40. ↩

  11. Matth. 5, 41. ↩

  12. Matth. 5, 42. ↩

  13. Matth. 5, 44; Luk. 6, 27 f. ↩

  14. Matth. 6, 1. ↩

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