Übersetzung
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Leben des hl. Einsiedlers Hilarion (BKV)
21.
In derselben Stadt, dem Handelsplatze Gazas, war ein Jüngling in eine gottgeweihte Jungfrau, welche in seiner Nachbarschaft wohnte, sterblich verliebt. Da er durch wiederholte Bemühungen, Scherze, Zeichen, Geflüster und ähnliche Dinge, welche die ersten Gefahren für die dahinwelkende Jungfräulichkeit bilden, nichts ausgerichtet hatte, begab er sich nach Memphis1, wo er sein Leid klagte, um dann mit einem S. 49 Zaubermittel bewaffnet zur Jungfrau zurückzukehren. Ein Jahr lang wurde er von den Priestern des Äskulap2, der die Seelen, anstatt sie zu heilen, ins Verderben stürzt, unterrichtet; dann kehrte er zurück mit der festen Absicht, die Entehrung auszuführen. Er vergrub unter der Schwelle des Hauses, in welchem das Mädchen wohnte, gewisse Zauberworte und Figuren, welche er auf Kupferplatten eingestochen hatte. Da fing die Jungfrau an zu rasen, den Kopfschleier abzuwerfen, das Haar zu raufen, mit den Zähnen zu knirschen und den Namen des Jünglings zu rufen. Die Liebe hatte sich in ihrer Heftigkeit zur Raserei gesteigert. Die Eltern führten deshalb das Mädchen zum Kloster und übergaben es dem Greise. Der böse Geist aber fing sofort an zu heulen und zu bekennen: „Man hat gegen mich Gewalt gebraucht, gegen meinen Willen bin ich fortgeführt worden. Wie schön hatte ich es doch in Memphis, wo ich die Menschen mit ihren Träumen zum besten hielt. Welche Qualen, welche Leiden muß ich erdulden! Du zwingst mich auszufahren, und ich liege gefesselt unter der Schwelle. Ich gehe nicht fort, bis mich der Jüngling, der mich in seiner Gewalt hat, frei gibt.„ Ihm erwiderte der Greis: „Welch große Macht hast du doch, daß du dich an einen Faden und an ein Kupfertäfelchen festbinden läßt! Sag an, warum hast du gewagt, in die gottgeweihte Jungfrau zu fahren?“ „Um ihre Jungfräulichkeit zu schützen„, war seine Antwort. „Du, der Verführer der Keuschheit, ihr Beschützer? Warum bist du denn da nicht lieber in den gefahren, der dich geschickt hat?“ „Wozu„, gab er zurück, „sollte ich zu dem gehen, der meinen Freund, den Liebesteufel, in sich hatte?“ Der Heilige wollte aber, ehe er die Jungfrau reinigte, weder nach dem Jüngling noch nach dem Zeichen suchen lassen, damit es nicht so aussähe, als habe der Teufel auf Zauberformeln hin den Rückzug angetreten. Auch wollte er nicht die Meinung aufkommen lassen, als habe er den Worten des bösen Geistes Glauben S. 50beigemessen, da er sonst zu beteuern pflegte, daß die Teufel Betrüger und Meister in der Verstellung seien. Vielmehr tadelte er die Jungfrau, nachdem ihre Gesundheit zurückgekehrt war, weil sie so gelebt, daß der Teufel auf sie hatte Einfluß gewinnen können.
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Memphis (altägypt. Men-nefer) soll von dem ältesten historisch nachweisbaren ägypt. König Menes um 3300 v. Chr. gegründet sein. Es ist die Hauptstadt an der Grenze der beiden Reiche. — Liebeszauber war bei den Ägyptern an der Tagesordnung. Vgl. Wiedemann, Die Religion der alten Ägypter. Münster 1890, 153 f. ↩
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Asklepios ist der Heilgott der Alten. Im dem ägyptischen Pantheon entspricht ihm Imhotep, der hauptsachlich in Memphis verehrt wurde. ↩
Edition
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Vita S. Hilarionis
21.
Virginem ab incantatione amatoria liberat. – De eodem Gazensis emporii oppido, virginem Dei vicinus iuvenis deperibat. Qui cum frequenter tactu, iocis, nutibus, sibilis, et caeteris huiusmodi, quae solent moriturae virginitatis esse principia, nihil profecisset, perrexit Memphim, ut confesso vulnere suo, magicis artibus rediret armatus ad virginem. Igitur post annum doctus ab Aesculapii vatibus, non remediantis animas, sed perdentis, venit praesumptum animo stuprum gestiens, et subter limen domus puellae portenta quaedam verborum, et portentosas figuras sculptas in aeris Cyprii lamina defodit. [0038B] Illico insanire virgo, et amictu capitis abiecto, rotare crinem, stridere dentibus, inclamare nomen adolescentis. Magnitudo quippe amoris se in furorem verterat. Perducta ergo a parentibus ad monasterium, seni traditur: ululante statim et confitente daemone, Vim sustinui, invitus abductus sum: quam bene Memphis somniis homines deludebam! O cruces! o tormenta quae patior! Exire me cogis, et ligatus subter limen teneor. Non exeo, nisi me adolescens qui tenet, dimiserit. Tunc senex: Grandis, ait, fortitudo tua, qui licio et lamina strictus teneris. Dic, quare ausus es ingredi puellam Dei? Ut servarem, inquit, eam virginem. Tu servares, proditor castitatis? Cur non potius in eum qui te mittebat, es ingressus? Ut quid, respondit, intrarem in eum, [0038C] qui habebat collegam meum amoris daemonem? Noluit autem Sanctus antequam purgaret virginem, vel [0039A] adolescentem, vel signa iubere perquiri, ne aut solutus incantationibus recessisse daemon videretur, aut ipse sermoni eius accommodasse fidem: asserens fallaces esse daemones, et ad simulandum esse callidos; et magis reddita sanitate increpuit virginem, cur fecisset talia, per quae daemon intrare potuisset.