4.
Du wirst sagen: „Wozu diese weit hergeholten Darlegungen?“ 1 Ich will nicht, daß Du meinst, Deinem Glauben fehle etwas, weil Du Jerusalem nicht gesehen hast. Du sollst uns aber auch nicht für besser halten, weil wir uns des Aufenthaltes an diesem Orte erfreuen. Ob Du hier oder anderwärts bist, der Lohn für Deine guten Werke wird bei unserem Gotte der gleiche sein. Um Dir ganz klar und deutlich meine innerste Herzensmeinung zu offenbaren, so ist mit Rücksicht auf Dein heiliges Vorhaben und Deinen Eifer, mit dem Du der Welt entsagt hast, ein Wechsel des Aufenthaltes wohl in Betracht zu ziehen. Du tust gut, die Städte und ihr Getriebe zu meiden, Dich auf dem Lande niederzulassen und Christus in der Einsamkeit zu suchen. Du sollst allein mit Christus auf dem Berge beten 2 und Dich nur in der Nähe heiliger Orte aufhalten, d.h. Du sollst die Stadt verlassen und Deinen Mönchsberuf nicht verlieren. Was ich Dir ans Herz lege, gilt nicht für die Bischöfe, Priester 3 und sonstigen Kleriker; denn sie S. 177 haben eine andere Aufgabe zu erfüllen. Es gilt aber für den Mönch, besonders für den Mönch, der vormals in der Welt eine angesehene Stellung innehatte, der den Erlös seines Besitzes deshalb zu den Füßen der Apostel niederlegte, 4 damit er zeige, daß das Geld zu verachten sei, und demütig und im Verborgenen lebend auch ständig geringschätze, was er einmal geringgeschätzt hat. Wenn die Stätten der Kreuzigung und der Auferstehung nicht in einer volkreichen Stadt wären mit Behörden, Garnison, Dirnen, Schauspielern, Possenreißern und allem, was man auch in anderen Städten vorzufinden pflegt, oder wenn diese Stadt nur von den Scharen der Mönche besucht würde, dann freilich müßte eine solche Wohnstätte die Sehnsucht aller Mönche sein. Jetzt aber wäre es höchste Torheit, der Welt zu entsagen, aus der Heimat fortzuziehen, die Städte zu verlassen, Mönch zu werden, um in der Fremde unter einer viel größeren Menschenmenge zu leben, als es in der Heimat der Fall war. Hier kommt die ganze Welt zusammen. Die Stadt ist angefüllt mit Leuten aus allen Nationen. Menschen beiderlei Geschlechtes sind hier in einem Maße zusammengewürfelt, daß Du Zustände ganz ertragen mußt, denen Du anderswo wenigstens zum Teil ausweichen kannst.
Cicero, De orat. III 24, 91. ↩
Matth. 14, 23. ↩
Paulinus war bereits Priester, aber Hieronymus macht einen Unterschied zwischen Priester sein und das priesterliche Amt ausüben. Er selbst war ja auch Priester, wurde aber nicht Seelsorger, sondern blieb Mönch. Für Hieronymus steht Paulinus hier noch vor der Entscheidung. Gr. (II 229 f.) übersieht den angedeuteten Unterschied, wenn er Paulinus in Bethlehem anfragen läßt, ob er sich zum Priester weihen lassen soll. ↩
Apg. 4, 35. ↩
