5.
Weil Du mich nun wie einen Bruder fragst, welchen Weg Du einschlagen sollst, so will ich darüber ganz offen mit Dir reden. Willst Du als Priester wirken, hast Du Geschmack an Last und Ehre des bischöflichen Amtes, dann bleibe in den Städten und festen Plätzen und sieh zu, wie Du aus der Rettung anderer Gewinn ziehst für Deine Seele. Willst Du aber das sein, was Du Dich nennst, also ein Mönch, d.h. ein einsam Lebender, was tust Du dann in den Städten, in denen sich viele zusammenfinden? Sie sind sicherlich kein Aufenthalt für solche, die einsam leben wollen. Jeder Beruf hat seine Meister, Die römischen Feldherrn mögen einem S. 178 Camillus, 1 einem Fabricius, 2 einem Regulus, 3 einem Scipio 4 nacheifern. Für Philosophen seien Pythagoras, 5 Sokrates, Plato und Aristoteles das Ideal. Der Dichter Vorbild dürften Homer, Vergil, Menander 6 und Terenz 7 sein. Einem Thukydides, Sallust, Herodot und Livius mögen die Geschichtsschreiber nachstreben. Redner können sich an Lysias, den Gracchen, Demosthenes und Tullius schulen. Um schließlich auf christliche Einrichtungen zu kommen, so leuchten den Bischöfen und Priestern die Apostel und die apostolischen Männer als Vorbild voran, deren Ehrenamt sie nicht nur übernehmen, sondern denen sie auch an Verdiensten gleichkommen sollen. Die Lehrmeister unseres Berufes aber sind Paulus, 8 Antonius, 9 Julianus, 10 Hilarion, 11 Makarius. 12 Und wenn ich auf die Autorität der Heiligen Schrift zurückgehe, so könnte ich als unsere Stifter einen Elias und einen Elisäus, als unsere Führer die Prophetensöhne anführen, welche auf dem Lande und in der Einsamkeit wohnten und entlang den S. 179 Wassern des Jordan ihre Zelte aufschlugen. 13 Zu ihnen gehören auch die Söhne Rechabs, die nicht Wein noch sonstiges Getränk, das berauscht, zu sich nahmen und in Zelten wohnten, 14 die Gott durch den Propheten Jeremias lobt und denen er verheißt, daß es in ihrem Stamme nie an Männern fehlen werde, die vor dem Herrn stehen. 15 Auf sie muß man, wie mir scheint, auch die Überschrift des siebzigsten Psalmes deuten, die lautet: „Der Söhne Jonadabs und derjenigen, die zuerst in die Gefangenschaft geführt wurden.“ 16 Dieser Jonadab ist Rechabs Sohn, der nach dem Buche der Könige zusammen mit Jehu den Wagen bestiegen hat. 17 Seine Söhne sind es, die immer in Zelten wohnten, zuletzt aber wegen des Einfalles des babylonischen Heeres sich gezwungen sahen, nach Jerusalem zu gehen. 18 Man sagt von ihnen, sie hätten zuerst die Gefangenschaft erduldet, weil sie sich in der Stadt wie in einem Kerker eingeschlossen fühlten, nachdem sie vorher die Freiheit der Wüste genossen hatten.
Vgl. S. 148 Anm. 1. ↩
C. Fabricius Luscinus, Führer des römischen Heeres im Kriege gegen Pyrrhus und gegen verschiedene italische Völkerschaften. ↩
M. Attilius Regulus, siegreicher römischer Feldherr im ersten punischen Kriege, bis er, 255 v. Chr. bei Tunes besiegt, in karthagische Gefangenschaft geriet. ↩
P. Cornelius Scipio Africanus maior beendete den zweiten punischen Krieg siegreich für die Römer. Der gleichnamige Africanus minor entschied den dritten punischen Krieg mit Karthagos Eroberung (146 v. Chr.) zugunsten Roms. ↩
Vgl. S. 127 Anm. 5. ↩
Vgl. S. 139 Anm. 1. ↩
P. Terentius Afer (um 190—159 v. Chr.), römischer Lustspieldichter, der Originale der neueren attischen Komödie (Menander) bearbeitete. ↩
Paulus von Theben, dessen Biographie Hieronymus verfaßte (BKV XV 21 ff.). ↩
Vgl. S. 175 Anm. 7. ↩
Ein Mönch, der in der Gegend von Edessa in strengster Askese lebte (vgl. Palladius, Hist Laus. 42; BKV V 406 f.). ↩
Vgl. S. 175 Anm. 8. ↩
Palladius unterscheidet Makarius den Jüngeren, Makarius den Ägypter (den älteren) und Makarius aus Alexandrien (Hist Laus. 15. 17. 18; BKV V 30; 33 ff.; 36 ff.). ↩
Jer. 35, 7. 9 f. ↩
Ebd. 35, 6 ff. ↩
Ebd. 35, 18 f. ↩
Ps. 70, 1 (nach LXX). ↩
4 Kön. 10, 15 ff. ↩
Jer. 35, 11. ↩
