2.
Dies, o Laeta, in Christus geliebte Tochter, mußte ich vorausschicken, damit Du nicht am Seelenheile des Vaters verzweifelst. Das Vertrauen, dem Du Deine Tochter verdankst, möge Dir auch den Vater gewinnen! Dann wird das Glück in Deiner Familie nichts mehr zu wünschen übrig lassen, hat doch der Herr verheißen: „Was bei den Menschen unmöglich scheint, das ist bei Gott möglich.“ 1 Niemals kommt eine Bekehrung zu spät. 2 Der Schacher gelangte vom Kreuze aus ins Paradies, 3 und der König Nabuchodonosor aus Babylon, der an Leib und Seele verwilderte und wie die Tiere in der Wildnis lebte, erhielt seinen menschlichen Verstand zurück. 4 Doch will ich auf diese alten Geschichten nicht weiter eingehen, die von den Heiden für Märchen gehalten werden möchten. Ich will nur hinweisen auf Euren Verwandten Gracchus, 5 dessen Name bereits die Herkunft aus altem Patriziergeschlechte anklingt. Hat er nicht vor wenigen Jahren, als er das Amt des Stadtpräfekten bekleidete, die Höhle des Mithras und alle die symbolischen Bildnisse, mit denen die Mithrasdiener in den Grad des Raben, Greifen, Soldaten, Löwen, Perses, 6 Sonnenwagens 7 und Vaters eingeführt wurden, S. 387 zerstört, zerschmettert und verbrannt? 8 Nachdem er auf diese Weise für seine Gesinnung Bürgschaft gestellt, hat er dann nicht nach der Taufe Christi verlangt? Auch in der Hauptstadt ist das Heidentum nur noch eine vereinzelte Erscheinung. Die alten Götter, denen ganze Völker huldigten, fristen ihr Dasein nur noch auf den Dachgiebeln zusammen mit Kauz und Uhu. Die Fahnen der Soldaten tragen das Zeichen des Kreuzes. Die Purpurgewänder der Könige und die leuchtenden Edelsteine der Diademe schmückt das Bild des heiligen Holzes. Bereits ist der ägyptische Serapis Christ geworden. 9 Zu Gaza trauert Marnas hinter verschlossenen Türen und sieht täglich mit Furcht der Zerstörung seines Heiligtums entgegen. 10 Aus Indien, Persien und Äthiopien besuchen mich täglich ganze Scharen von Mönchen. Der Armenier hat seinen Köcher weggelegt, die Hunnen lernen das Psalterium, die kalten Regionen Skythiens erwärmen sich an der Glut des christlichen Glaubens. Das Heer der rot- und blondhaarigen Geten führt Zelte mit, um in ihnen christlichen Gottesdienst zu feiern. Vielleicht kämpft es gerade deshalb so glücklich gegen uns, weil sie denselben Gott verehren wie wir.
Luk. 18, 27. ↩
Vgl. S. 378, Anm. 3. ↩
Luk. 23, 43. ↩
Dan. 4, 29 ff. ↩
Zur Verwandtschaft s. BKV XV 95. Der Stadtpräfekt Gracchus ließ das Spelaeum des Mithras im Jahre 378 zerstören (vgl. Aurel. Prudent., Contra Symmach. I 561 ff. CSEL LXI 241 [Bergman]). ↩
Sohn des Helios und der Perse. ↩
Heliodromos. ↩
Die Stelle ist schwer verständlich, zumal die Namen der Symbole in den Handschriften vielen Änderungen unterworfen sind. Da Tertullian den Begriff miles auf Personen anwendet und ebenso Porphyrius die Worte corax und leo auf die Opferdiener bzw. die in die Mysterien Eingeweihten (Tertullian, De cor. mil. 15—BKV XXIV 262 f.; Porphyrius, De abstin. IV 16), so dürften die symbolischen Namen die verschiedenen Grade der Mysten bezeichnen. Die höchste Stufe wäre dann die des „Vaters“. Da dem Sonnengott Mithras die ganze Welt als Tempel dient, wurde er nicht in Tempeln, sondern in Höhlen verehrt. ↩
Das Serapeion zu Alexandria wurde 389 auf Befehl des Kaisers Theodosius zerstört. An seiner Stelle erbaute der Patriarch Theophilus eine Kirche zu Ehren des hl. Johannes des Täufers. ↩
Marnas (eigentlich מַר אֶנָשׁ Herr der Menschen) war eine Gottheit der Philister. Zur Zerstörung des Tempels s. S. 384. ↩
