Einleitung
Des Hieronymus römischer Freund Oceanus hat Bedenken wegen der rechtmäßigen Weihe des spanischen Bischofs Carterius, 1 der vor der Taufe verheiratet war und nach der Taufe sich ein zweites Mal verehelichte. Man möchte erwarten, daß der Apostel der Jungfräulichkeit und Vorkämpfer eines unversehrten Witwenstandes eine solche Praxis tadelt. Aber der Dogmatiker spricht eine andere Sprache wie der Asket. Hieronymus nimmt den angegriffenen Bischof in Schutz und setzt sich damit in Gegensatz zu Ambrosius und Papst Siricius. 2 Mit eigenartiger Dialektik weist er nach, daß mit der Taufe alles getilgt ist, was aus dem früheren Leben irgendwie anstößig sein könnte. Seine Beweisführung ist S. b351 insoweit verfehlt, als er rein disziplinäre Vorschriften in die Sphäre des Dogmas erhebt und der Taufe Wirkungen zuschreibt, die der Dogmatiker ihr nicht zugestehen kann. In die sachliche Erörterung ist ein Exkurs über die Wirksamkeit der Taufe eingestreut, der zahlreiche Schriftstellen mehr oder weniger gezwungen allegorisch auf dieses Sakrament deutet. Den Abschluß bildet ein Spiegel, den er unter Ausdeutung der bekannten Stellen über das bischöfliche Amt in den Briefen an Timotheus und Titus dessen Trägern vorhält.
Da der Brief in der Streitschrift gegen Rufin erwähnt wird, 3 muß er vor dem Jahre 402 geschrieben sein. Ob man ihn mit Pronberger bis in die Jahre 395/6 hinaufrücken kann, hängt von der Würdigung der angeführten Gründe ab. 4
Vgl. BKV XV 255 Anm. 2. ↩
Ambros., De offic. I 50, 248 (BKV XXXII 128); Siricius, Ep. 1, 10 f. ad Himerium (M PL XIII 1143 f.). Wenn Grützmacher (II 194 f.) durchblicken läßt, daß ein gewisser Trotz gegen Siricius des Hieronymus Entscheidung bestimmte, so steht dem gegenüber, daß er bereits viel früher über die Ehe vor der Taufe ähnlich dachte (vgl. comm. in Tit. ad c. 1 — M PL XXVI 598 f.). Hieronymus dürfte von Tertullian beeinflußt sein, der die zweite Ehe verbietet, dabei aber die vor der Taufe eingegangene nicht in Betracht zieht (De monog. 11; BKV XXIV 506 f.). ↩
Contra Ruf. I 32 (M PL XXIII 444). Hieronymus stellt hier seine Auffassung als rein persönliche Meinung hin und verwahrt sich dagegen, mit seinem Briefe ein Dekret angreifen zu wollen. ↩
Pr. 55 f. ↩
