2. Kap. Man darf nicht Anstoß daran nehmen, daß das Wasser so große Wirkungen hervorbringt; denn es ist eine Eigentümlichkeit der göttlichen Werke, sich zu ihren Zwecken gerade des Unscheinbaren mit Vorliebe zu bedienen.
S. 276Wie groß ist doch die Macht der Verkehrtheit, den Glauben wankend zu machen oder ihn gar nicht aufkommen zu lassen, da sie ihn sogar auf Grund dessen bekämpft, worauf er beruht! Denn es gibt nichts, was auf den Geist der Menschen so abstoßend wirkt, als die Unscheinbarkeit der göttlichen Werke, welche bei ihrer Vollziehung zutage tritt, neben der Erhabenheit dessen, was in ihrer Vollbringung verheißen wird. So wird denn auch die Erlangung des ewigen Lebens schon des Umstandes halber für um so unglaublicher gehalten, weil der Mensch in so großer Einfachheit, ohne Pomp, ohne irgend welche ungewöhnliche Vorkehrungen, ohne Aufwand in das Wasser hinabsteigt, und unter dem Aussprechen von ein paar Worten untergetaucht, gar nicht oder nicht viel reiner wieder herauskommt. Ich will ein Lügner sein, wenn umgekehrt die Festlichkeiten und Mysterien der Götzen nicht gerade aus den Vorkehrungen, aus den Zurüstungen und dem Aufwande das Vertrauen und ihre Autorität schöpfen. O armselige, ungläubige Gesinnung, die du Gott seine Eigentümlichkeiten absprichst, seine Einfachheit mit seiner Macht gepaart. - Aber wie? Ist es denn, nichts Auffälliges, daß durch Wasser der Tod abgewaschen wird? - Jawohl, aber um so glaubwürdiger ist es, wenn es bloß deswegen keinen Glauben findet, weil es auffällig ist. Wie sollten denn die Werke Gottes sonst sein, wenn nicht über alles staunenswert? Wir staunen darüber auch selbst, aber eben aus dem Grunde, weil wir glauben. Die ungläubige Gesinnung hingegen staunt nur, sie glaubt nicht. Sie stutzt nämlich vor dem Unscheinbaren, als sei es albern, und vor dem Erhabenen, als sei es unmöglich. Es mag wirklich so sein, wie du meinst, dann ist doch zum voraus beiden Vorwürfen durch einen göttlichen Ausspruch hinlänglich begegnet, „Was töricht ist vor der Welt, das hat Gott auserwählt, um ihre Klugheit zu beschämen“1 , und: „Was schwierig ist bei den Menschen, das ist leicht bei Gott“2, Wenn Gott beides ist, weise und mächtig, was selbst die nicht S. 277leugnen, die seiner nicht achten, so hat er folgerecht das, was der Weisheit und Macht entgegengesetzt ist, nämlich die Torheit und Unmöglichkeit, zum Objekt seines Wirkens genommen. Jede Kraft findet ihren Gegenstand an dem, wovon sie herausgefordert wird3.
