Edition
ausblenden
Consolatio philosophiae
III.
S. 126 [1] Videsne igitur, quanto in caeno probra volvantur, qua probitas luce resplendeat? In quo perspicuum est numquam bonis praemia, numquam sua sceleribus deesse supplicia. [2] Rerum etenim quae gerentur illud, propter quod unaquaeque res geritur, eiusdem rei praemium esse non iniuria videri potest, uti currendi in stadio, propter quam curritur, iacet praemium corona. [3] Sed beatitudinem esse id ipsum bonum, propter quod omnia geruntur, ostendimus. Est igitur humanis actibus ipsum bonum veluti praemium commune propositum, [4] atqui hoc a bonis non potest separari; neque enim bonus ultra iure vocabitur, qui careat bono; quare probos mores sua praemia non relinquunt. [5] Quantumlibet igitur saeviant mali, sapienti tamen corona non decidet, non arescet. Neque enim probis animis proprium decus aliena decerpit improbitas. [6] Quodsi extrinsecus accepto laetaretur, poterat hoc vel alius quispiam vel ipse etiam, qui contulisset, auferre. Sed quoniam id sua cuique probitas confert, tum suo praemio carebit, cum probus esse desierit. [7] Postremo cum omne praemium idcirco appetatur, quoniam bonum esse creditur, quis boni compotem praemii iudicet expertem?
[8] At cuius praemii? Omnium pulcherrimi maximique. Memento etenim corollarii illius, quod paulo ante praecipuum dedi, ac sic collige: [9] Cum ipsum bonum beatitudo sit, bonos omnes eo ipso, quod boni sint, fieri beatos liquet. [10] Sed qui beati sint, deos esse convenit. Est igitur praemium bonorum, quod nullus deterat dies, nullius minuat potestas, nullius fuscet improbitas, deos fieri.
[11] Quae cum ita sint, de malorum quoque inseparabili poena dubitare sapiens nequeat. Nam cum bonum malumque, item poenae atque praemium adversa fronte dissideant, quae in boni praemio videmus accedere, eadem necesse est in mali poena contraria parte respondeant. [12] Sicut igitur probis probitas ipsa fit praemium, ita improbis nequitia ipsa supplicium est. Iam vero quisquis afficitur poena, malo se affectum esse non dubitat. [13] Si igitur sese ipsi aestimare velint, possuntne sibi supplicii expertes videri, quos omnium malorum extremo nequitia non affecit modo, verum etiam vehementer infecit?
[14] Vide autem ex adversa parte bonorum, quae improbos poena comitetur. Omne namque, quod sit, unum esse ipsumque unum bonum esse paulo ante didicisti, cui consequens est, ut omne, quod sit, id etiam bonum esse videatur. [15] Hoc igitur modo quicquid a bono deficit, esse desistit; quo fit, ut mali desinant esse, quod fuerant; sed fuisse homines adhuc ipsa humani corporis reliqua species S. 128 ostentat. Quare versi in malitiam humanam quoque amisere naturam. [16] Sed cum ultra homines quemque provehere sola probitas possit, necesse est, ut, quos ab humana condicione deiecit, infra hominis meritum detrudat improbitas. Evenit igitur, ut, quem transformatum vitiis videas, hominem aestimare non possis. [17] Avaritia fervet alienarum opum violentus ereptor? Lupis similem dixeris. [18] Ferox atque inquies linguam litigiis exercet? Cani comparabis. [19] Insidiator occultus subripuisse fraudibus gaudet? Vulpeculis exaequetur. [20] Irae intemperans fremit? Leonis animum gestare credatur. [21] Pavidus ac fugax non metuenda formidat? Cervis similis habeatur. [22] Segnis ac stupidus torpet? Asinum vivit. [23] Levis atque inconstans studia permutat? Nihil avibus differt. [24] Foedis immundisque libidinibus immergitur? Sordidae suis voluptate detinetur. [25] Ita fit, ut qui probitate deserta homo esse desierit, cum in divinam condicionem transire non possit, vertatur in beluam.
Vela Neritii ducis
Et vagas pelago rates
Eurus appulit insulae,
Pulchra qua residens dea
Solis edita semine
Miscet hospitibus novis
Tacta carmine pocula.
Quos ut in varios modos
Vertit herbipotens manus,
Hunc apri facies tegit,
Ille Marmaricus leo
Dente crescit et unguibus.
Hic lupis nuper additus,
Flere dum parat, ululat.
Ille tigris ut Indica
Tecta mitis obambulat.
Sed licet variis malis
Numen Arcadis alitis
Obsitum miserans ducem
Peste solverit hospitis,
Iam tamen mala remiges
Ore pocula traxerant,
S. 130 Iam sues Cerealia
Glande pabula verterant,
Et nihil manet integrum
Voce, corpore perditis.
Sola mens stabilis super
Monstra, quae patitur, gemit.
O levem nimium manum
Nec potentia gramina,
Membra quae valeant licet,
Corda vertere non valent.
Intus est hominum vigor
Arce conditus abdita.
Haec venena potentius
Detrahunt hominem sibi
Dira, quae penitus meant
Nec nocentia corpori
Mentis vulnere saeviunt.
Übersetzung
ausblenden
Trost der Philosophie (BKV)
III.
S. 127 Siehst du nun, in welchem Schmutz die Schande sich wälzt, in welchem Licht die Redlichkeit leuchtet? So ist es einleuchtend, daß dem Guten niemals sein Lohn, dem Verbrecher niemals seine Strafe fehlt. Denn nicht mit Unrecht kann man das Ding, um dessentwillen jegliches vollbracht wird, als den Lohn dessen, was vollbracht wird, ansehen, wie dem Läufer in der Rennbahn der Kranz, um dessentwillen er läuft, als Belohnung winkt. Daß aber die Glückseligkeit eben jenes Gut ist, um dessentwillen alles vollbracht wird, haben wir gezeigt. Es ist also den menschlichen Handlungen das Gute selbst gleichsam als gemeinsamer Lohn zum Ziel gesetzt, und dieses läßt sich von den Guten nicht trennen; denn der wird nicht gerade mit Recht gut heißen, dem das Gute mangelt, weshalb einem redlichen Charakter auch sein Lohn nicht fehlt. Wie sehr also auch die Schlechten toben, dem Weisen wird sein Kranz nicht mangeln noch welken; denn die Bosheit zerpflückt edlen Seelen nicht ihre eigene Zier, nur eine ihnen fremde. Und wenn sich auch jemand über äußere Gaben freuen sollte, so könnte diese doch ein andrer oder auch der Geber selbst wieder fortnehmen. Aber die Redlichkeit bringt jedem das Seine, und so wird er seinen Lohn nur entbehren, wenn er aufhört redlich zu sein. Endlich weil aller Lohn nur deshalb erstrebt wird, weil er für gut gehalten wird, wer möchte den, der das Gute besitzt, des Lohnes bar erklären? Aber welches Lohnes? Unter allen des schönsten und größten. Erinnere dich jenes Corollar, das ich noch eben als besonders wichtig gegeben habe, und schließe so: Wenn das Gute selbst die Glückseligkeit ist, so folgt, daß alle Guten eben dadurch, daß sie gut sind, glückselig sind. Die aber glückselig sind, sind nach Gebühr Götter. Also ist der Lohn der Guten, den keine Zeit zerbricht, der niemandes Macht mindert, niemandes Bosheit verdunkelt, Götter zu werden.
Da dies so ist, kann auch kein Weiser an der Strafe der Bösen zweifeln. Denn da gut und böse wie Strafe und Lohn einander entgegengesetzt sind, muß notwendiger Weise der Belohnung des Guten auf der Gegenseite die Bestrafung des Bösen entsprechen. Wie also den Guten die Güte selbst zur Belohnung wird, so ist den Bösen die Nichtsnutzigkeit selbst Strafe. Jeder der Strafe leidet, zweifelt nicht, daß er ein Übel leide. Könnten also jene, wenn sie sich selber einschätzten, sich frei von Strafe erscheinen, sie, denen die äußerste Schlechtigkeit alles Bösen nicht nur anhaftet, sondern die sie tief durchtränkt? Beachte nun von der Gegenseite des Guten aus die Strafe, die den Bösen begleitet. Daß alles Sein eines sei, und das eine selbst das Gute, hast du noch eben gelernt. Die Folge hiervon ist, daß alles was ist, offenbar auch gut ist. Auf diese Weise hört das auf zu sein, das vom Guten abfällt, und daher rührt es, daß die Schlechten aufhören zu sein, was sie gewesen waren; daß sie aber Menschen gewesen sind, zeigt noch der übrig bleibende Schein eines menschlichen Körpers, obwohl sie zur Bosheit verwandelt, S. 129 auch die menschliche Natur verloren haben. Aber da über den Menschen hinaus den Menschen nur die Redlichkeit tragen kann, so stößt notwendig die Unredlichkeit diejenigen, welche sie von dem Menschenstand gestürzt hat, unter Menschenwürdigkeit hinab. So geschieht es, daß du den nicht für einen Menschen achten kannst, den du von Lastern verwandelt siehst. Von Habgier brennt der gewalttätige Räuber fremden Gutes? Du wirst ihn dem Wolfe ähnlich nennen. Bissig und ruhelos übt der seine Zunge im Zank? Vergleiche ihn dem Hunde. Der Verräter freut sich, heimlich durch Betrug zu rauben? Dem Fuchse sei er gleichgestellt. Der knirscht im Zorne unbeherrscht? Man glaubt, daß eines Löwen Seele ihm innewohnt. Angstvoll und feige zittert der vor dem, was nicht der Furcht wert ist? Man halte ihn dem Hirsche ähnlich. Träge und stumpf brütet der? Er lebt eines Esels Dasein. Leichtfertig und unbeständig ändert der seine Neigungen? In nichts unterscheidet er sich von den Vögeln. In schändlicher, unreiner Begierde versenkt sich jener? Von den Lüsten der schmutzigen Sau wird er gefesselt. So kommt es, daß wer die Tugend verläßt, aufhört Mensch zu sein; da er nicht zum Götterstande überzugehen vermag, verwandelt er sich zum Tier.
III. Irrend trieb auf der Meeresflut
Schiff und Segel des Ithakers
Einst der Westwind zur Insel hin,
Wo die Tochter des Sonnengotts,
Jene liebliche Göttin haust,
Die mit listigem Zauberspruch
Ihren Gästen den Becher mischt,
Und mit kräutergewaltiger Hand
Mannigfalt'ge Gestalten leiht:
Diesen decket des Ebers Haut,
Jenem wachsen als Berberleu
Spitze Krallen und scharfer Zahn.
Jüngst gereiht zu der Wölfe Schar
Heult der, wie er zu weinen sucht.
Der dem indischen Tiger gleich,
Schleicht um friedsamer Menschen Haus.
Mag von mancherlei Übeln auch
Der arkadische Flügelgott
Voll Erbarmen den Führer selbst
Dem Verderben entziehn, schon hat
Der Gefährten unselige Schar
Giftgemischten Pokal geschlürft
S. 131 Und als borstige Schweine nährt
Eichelmast sie im Futtertrog.
Nichts verblieb ihnen unversehrt,
Stimme, Leibesgestalt entschwand,
Unverändert allein der Geist
Leidet, seufzt ob der Ungestalt.
Ach, zu leicht war der Göttin Hand,
Unvermögend das Zauberkraut;
Nur die Götter verwandelt sie,
An den Herzen erlahmt die Macht.
Drinnen bleibet die Menschenkraft
In verborgener Burg verwahrt.
Aber mächtiger wirkt das Gift,
Schrecklich, wenn es nach innen dringt,
Wenn den Menschen sich selbst es raubt,
Unversehrt zwar der Leib beharrt.
Doch die Seele voll Wunden rast.