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Werke Boethius, Anicius Manlius Severinus (480-524) Philosophiae consolatio

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Consolatio philosophiae

VI.

Cum Phoebi radiis grave

Cancri sidus inaestuat,

Tum qui larga negantibus

Sulcis semina credidit,

Elusus Cereris fide

Quernas pergat ad arbores.

Numquam purpureum nemus

Lecturus violas petas,

Cum saevis Aquilonibus

Stridens campus inhorruit,

Nec quaeras avida manu

Vernos stringere palmites,

Uvis si libeat frui;

Autumno potius sua

Bacchus munera contulit.

Signat tempora propriis

Aptans officiis deus

Nec, quas ipse coercuit,

Misceri patitur vices.

S. 28 Sic quod praecipiti via

Certum deserit ordinem,

Laetos non habet exitus.

[1] Primum igitur paterisne me pauculis rogationibus statum tuae mentis attingere atque temptare, ut, qui modus sit tuae curationis, intellegam?

[2] Tu vero arbitratu, inquam, tuo quae voles ut responsurum rogato.

[3] Tum illa: Huncine, inquit, mundum temerariis agi fortuitisque casibus putas, an ullum credis ei regimen inesse rationis?

[4] Atqui, inquam, nullo existimaverim modo, ut fortuita temeritate tam certa moveantur, verum operi suo conditorem praesidere deum scio nec umquam fuerit dies, qui me ab hac sententiae veritate depellat.

[5] Ita est, inquit, nam id etiam paulo ante cecinisti, hominesque tantum divinae exsortes curae esse deplorasti; nam de ceteris, quin ratione regerentur, nihil movebare. [6] Papae autem vehementer admiror, cur in tam salubri sententia locatus aegrotes. Verum altius perscrutemur; nescio quid abesse coniecto. [7] Sed dic mihi, quoniam deo mundum regi non ambigis, quibus etiam gubernaculis regatur advertis?

[8] Vix, inquam, rogationis tuae sententiam nosco, nedum ad inquisita respondere queam.

[9] Num me, inquit, fefellit abesse aliquid, per quod, velut hiante valli robore in animum tuum perturbationum morbus inrepserit? [10] Sed dic mihi, meministine, quis sit rerum finis, quove totius naturae tendat intentio?

Audieram, inquam, sed memoriam maeror hebetavit.

Atqui scis, unde cuncta processerint?

[11] Novi , inquam, deumque esse respondi.

[12] Et qui fieri potest, ut principio cognito, quis sit rerum finis, ignores? [13] Verum hi perturbationum mores, ea valentia est, ut movere quidem loco hominem possint, convellere autem sibique totum exstirpare non possint.

[14] Sed hoc quoque respondeas velim: Hominemne te esse meministi?

[15] Quidni, inquam, meminerim?

Quid igitur homo sit poterisne proferre?

Hocine interrogas, an esse me sciam rationale animal atque mortale? Scio, et id me esse confiteor.

[16] Et illa: nihilne aliud te esse novisti?

Nihil.

[17] Iam scio, inquit, morbi tui aliam vel maximam causam: quid ipse sis, nosse S. 30 desisti. Quare plenissime vel aegritudinis tuae rationem vel aditum reconciliandae sospitatis inveni. [18] Nam quoniam tui oblivione confunderis, et exsulem te et exspoliatum propriis bonis esse doluisti. [19] Quoniam vero quis sit rerum finis ignoras, nequam homines atque nefarios potentes felicesque arbitraris. Quoniam vero, quibus gubernaculis mundus regatur, oblitus es, has fortunarum vices aestimas sine rectore fluitare: magnae non ad morbum modo, verum ad interitum quoque causae; sed sospitatis auctori grates, quod te nondum totum natura destituit. [20] Habemus maximum tuae fomitem salutis veram de mundi gubernatione sententiam, quod eam non casuum temeritati, sed divinae rationi subditam credis. Nihil igitur pertimescas, iam tibi ex hac minima scintillula vitalis calor illuxerit. [21] Sed quoniam firmioribus remediis nondum tempus est et eam mentium constat esse naturam, ut, quotiens abiecerint veras, falsis opinionibus induantur, ex quibus orta perturbationum caligo verum illum confundit intuitum, hanc paulisper lenibus mediocribusque fomentis attenuare temptabo, ut dimotis fallacium affectionum tenebris splendorem verae lucis possis agnoscere.

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Trost der Philosophie (BKV)

VI.

Sengt der Sonne glühender Strahl

Im Gestirn des Krebses die Flur,

Magst du reichliche Saaten auch streu'n,

So versagt sich die Furche doch,

Täuscht dich Ceres, so trägt doch fest

Seine Früchte der Eichenbaum.

Niemals wirst du im dunklen Hain

Veilchen sammeln zum Blütenkranz,

Wenn der Nord das Gefilde peitscht,

Heulend über die Stoppeln rast;

Niemals suche mit gieriger Hand,

Ob im Frühling die Rebe schon

Ihre Trauben zu reifen liebt;

Seinem Herbste erst spendet gern

Bacchus labende Gaben aus.

Alle Zeiten zu eignem Amt

Ordnet Gott und bestimmt den Lauf,

Nie läßt er, wo er selber band,

Jemals Wechsel und Elend zu.

S. 29 Wer auf eigenen Bahnen stürzt,

Wer die sichere Ordnung läßt,

Froh wird nimmer sein Ausgang sein.

Zuerst duldest du wohl, daß ich mit einigen Fragen deinen Geisteszustand berühre und untersuche, damit ich wisse, auf welche Weise deine Heilung einzurichten sei. – Frage du, sagte ich, nach deinem Gutdünken, was du willst, ich werde antworten. – Meinst du, daß diese Welt durch sinnlosen Zufall aufs Geratewohl getrieben werde, oder glaubst du, daß in ihr irgend eine Leitung der Vernunft wirke? – Doch, sprach ich, auf keine Weise möchte ich meinen, daß ein so fest Bestimmtes durch sinnlosen Zufall bewegt werde, vielmehr weiß ich, daß Gott der Schöpfer über diesem seinem Werke thront, und nicht ein Tag könnte mich von dieser Überzeugung abwendig machen. – So ist es, sagte sie, das hast du auch eben erst gesungen und nur beklagt, daß bloß die Menschen außerhalb der göttlichen Fürsorge ständen; denn darin, daß alles andere durch Vernunft gelenkt werde, hast du dich nicht erschüttern lassen. Dann aber, o wehe! wundere ich mich sehr, wie du, gefestigt in einer so heilsamen Überzeugung, noch krank sein kannst. Doch forschen wir etwas tiefer; ich vermute, ich weiß, was hier fehlt. Sage mir also, da du nicht zweifelst, daß die Welt von Gott regiert werde, nimmst du auch wahr, mit welchen Mitteln sie regiert wird? – Kaum verstehe ich den Sinn deiner Frage, sagte ich, geschweige, daß ich sie beantworten könnte. – So habe ich mich also nicht getäuscht, sagte sie, daß hier etwas fehlt, so daß wie durch die Bresche eines Walles die Krankheit der Verwirrung in deinen Geist eingedrungen ist. Aber sage mir, erinnerst du dich, was der Zweck der Dinge ist und wohin die Absicht der ganzen Natur strebt? – Ich habe es gehört, sprach ich, aber der Kummer hat mein Gedächtnis abgeschwächt. – Aber du weißt doch, woher alles seinen Ursprung nimmt? – Ich weiß es: er ist Gott. – Und wie ist es möglich, daß du den Ausgangspunkt der Dinge kennst, aber ihr Endziel nicht weißt? Doch das ist so die Art dieser Störungen, wohl haben sie die Kraft den Menschen vom richtigen Standpunkt zu verrücken, aber ihn auszureißen und ganz und gar auszurotten, vermögen sie nicht.

Doch willst du mir dies beantworten: Gedenkst du daran, daß du ein Mensch bist? – Wie, sagte ich, sollte ich mich nicht erinnern? – Solltest du also bestimmen können, was der Mensch sei? – Fragst du danach, als ob ich nicht wüßte, ich sei ein vernünftiges und sterbliches Lebewesen? Ich weiß es und bekenne es zu sein. – Und jene: Weißt du, daß du nichts anderes bist? – Nichts. – Ich kenne nun auch die andere und größte Ursache deiner Krankheit, sagte sie: du weißt nicht mehr, was du selbst bist. Deshalb habe ich vollauf den Grund deines Leidens, aber auch den Weg, dir S. 31 wieder Genesung zu verschaffen, gefunden. Weil du von Vergessenheit deiner selbst verwirrt bist, fühlst du dich schmerzlich als verbannt und der eignen Güter beraubt. Weil du nicht weißt, was der Zweck der Dinge ist, hältst du nichtswürdige Schurken für mächtig und glücklich. Weil du vergessen hast, mit welchen Mitteln die Welt regiert wird, urteilst du, daß diese Wechselfälle des Glücks ohne Lenker umherwogen; Ursachen, groß genug, nicht nur zur Krankheit, sondern sogar zur Vernichtung. Doch danke dem Herrn der Genesung, daß er dich nicht ganz der Natur entfremdet hat. Wir haben noch einen besten Zündstoff für deine Genesung: deine richtige Ansicht von der Leitung der Welt, weil du sie nicht dem blinden Zufall, sondern der göttlichen Vernunft unterworfen glaubst. Darum fürchte dich nicht zu sehr, aus diesem winzigen Fünkchen wird sich dir die Lebenswärme entfachen. Aber noch ist es nicht Zeit, stärkere Heilmittel anzuwenden, auch ist es die Natur des Geistes, daß er, sobald er die wahren Meinungen verworfen hat, falsche annimmt, aus denen dann der Nebel der Störungen steigt und das rechte Schauen trübt; deshalb will ich ihn allmählich an sanfte und mäßige Linderung gewöhnen, auf daß sich das Dunkel trügerischer Leidenschaften zerstreue, und du den Glanz des wahren. Lichtes erkennen könntest.

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