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Works Boethius, Anicius Manlius Severinus (480-524) Philosophiae consolatio Trost der Philosophie (BKV)
Zweites Buch

VI.

Was aber soll ich von Würden und Macht reden, die ihr, der wahren Würde und Macht unkundig, dem Himmel gleich setzt? Wenn sie nun grade auf irgend einen Schurken fallen, welcher feuerspeiende Ätna, welche Sintflut hätte solch Unheil angerichtet? Sicher, glaube ich, erinnerst du dich, wie eure Vorfahren die konsularische Befehlsgewalt, die der Anfang der Freiheit gewesen war, wegen des Übermuts der Consuln abzuschaffen begehrten, wie sie vorher wegen des gleichen Übermutes den königlichen Namen aus dem Staat entfernt hatten. Aber wenn sie manchmal, was doch sehr selten ist, Tüchtigen übertragen werden, was gefällt dann an ihnen anders als die Tüchtigkeit? So kommt es, daß nicht den Tugenden aus der Würde, S. 57 sondern aus der Tugend den Würden Ehre zuwächst. Was ist denn diese eure erstrebenswerte und herrliche Gewalt? Erwägt ihr irdischen Geschöpfe denn nicht, über wen ihr euch dünkt den Vorsitz zu führen? Wenn du jetzt eine unter den Mäusen sich Recht und Herrschaft über die andern anmaßen sähest, welches Lachen würde dich erschüttern! Wie aber, wenn man deinen Körper ansieht, kann man etwas Schwächeres als den Menschen finden, den oft ein Mückenstich oder ein schleichender Einfluß auf die verborgenen Teile tötet? Wie aber kann jemand einen andern anders als an seinem Körper seine Gewalt fühlen lassen und an dem, was noch unter seinem Körper ist, seinen Glücksgütern meine ich? Willst du etwa der freien Seele etwas befehlen? Willst du den Geist, der mit fester Vernunft in sich gefaßt ist, aus dem Zustande seiner eigenen Ruhe verdrängen? Als ein Tyrann einen freien Mann mit Folterqualen dazu bringen wollte, die Mitwisser einer Verschwörung zu verraten, biß sich dieser die Zunge ab und spie sie dem wütenden Tyrannen ins Gesicht. Der Tyrann hielt solche Marter für ein Werkzeug der Grausamkeit, der Weise machte sie zu einem solchen der Tugend. Was aber könnte man einem andern antun, was man nicht selbst von einem andern erleiden könnte? Wir haben gehört, daß Busiris, der seine Gäste umzubringen pflegte, von seinem Gaste Herkules geschlachtet worden ist. Regulus hatte viele Punier im Kriege gefangen und in Fesseln geworfen, aber später gab er seine Hände selbst den Ketten der Besiegten hin. Hältst du aber einen Menschen für mächtig, der es nicht erreichen kann, daß das, was er gegen einen andern vermag, der andere nicht auch gegen ihn vermöge? Ferner, wenn den Würden und Ämtern selber etwas von natürlichem, ihnen zugehörigem Guten innewohnte, so würden sie nimmer den Schlechten zuteil werden. Denn Gegensätze pflegen nicht sich einander zu gesellen. Die Natur weigert sich Widerstreitendes zu verbinden. Wenn also die Schlechtesten meistens die Würden bekleiden, so folgt daraus, daß das von Natur nicht gut ist, was leiden kann, daß es an Schlechtem haftet. Und dies kannst du noch mehr von allen Gaben des Glücks annehmen, die gerade zu den Unredlichsten im Übermaß gelangen.

Auch das muß noch erwogen werden: niemand zweifelt, daß tapfer sei, wem ersichtlich Tapferkeit inne wohnt; und wer Schnelle besitzt, ist offenbar schnell. So macht die Musik die Musiker, die Arzneikunst die Ärzte, die Redekunst die Redner. Denn die Natur eines jeden Dinges tut das, was ihr eigentümlich ist, und mischt sich nicht mit den Wirkungen des Gegenteils, sie vertreibt von sich aus, was ihr zuwider ist. Doch weder kann Reichtum den unersättlichen Geiz stillen, noch macht Amtsgewalt den seiner selbst mächtig, den lasterhafte Begierden mit unlösbaren Ketten fesseln und halten. Würde, an Schurken übertragen, macht sie nicht nur nicht würdig, sondern verrät mehr und macht offenkundig ihre Unwürdigkeit. Woher kommt das? S. 59 Euch freut es freilich Dinge, die sich anders verhalten, mit falschem Namen zu belegen, die der Erfolg der Sache leicht widerlegt. Daher kann weder dies Macht, noch jenes Reichtum, noch das Würde mit Recht benannt werden. Endlich kann man das Gleiche von dem ganzen Glück schließen, in dem offenbar nichts Erstrebenswertes, nichts von ursprünglicher Güte wohnt, das sich den Guten nicht immer vereint, und die nicht gut macht, denen es verbunden ist.

VI. Wohlbekannt ist dir, wie er einst in Trümmer

Legt die Stadt in Brand und die Väter tötet,

Wie er wild darauf auch den Bruder mordet

Und vom Blute trieft seiner eignen Mutter;

Den entseelten Leib mit den Blicken musternd,

Rann vom Auge ihm keine Trän'; er konnte

Richter sein noch jetzt der verblichnen Schönheit.

Doch sein Szepter lenkt' all die vielen Völker,

Welche Phöbus schaut, wenn er in die Fluten

Niedersteigt, und wenn er zum Aufgang rückkehrt,

Die der kalte Nord mit dem Froste bändigt,

Die mit trockner Glut ungestüm der Südwind

Dörrt, wo er den Sand in der Wüste aufkocht.

Solch erhabne Macht sie vermochte doch nicht,

Daß des Nero Wut sich, des schlimmen wandle.

Weh dem schweren Los, wenn das ungerechte

Schwert zusammenkommt mit dem wilden Gifte!

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