III.
Auch ihr, o irdische Geschöpfe, träumt, wenn auch unter einem dürftigen Bilde, von eurem Ursprung, und mögt ihr auch dieses wahre Ziel der Glückseligkeit wenig durchdringen und nur in Gedanken schauen, so führt euch doch dahin und zum wahren Guten euer natürlicher Hang, und nur der vielgestaltige Irrtum lenkt euch davon ab. Erwäge nun, ob die Menschen durch das, wodurch sie Glückseligkeit zu erreichen hoffen, zum vorbestimmten Ziele zu gelangen vermögen. Wenn nämlich Geld oder Ehre usw. so beschaffen sind, daß ihnen kein Gut mehr zu fehlen scheint, so wollen auch wir bekennen, daß die Menschen hierdurch glücklich werden·können. Wenn sie aber nicht das zu leisten vermögen, was sie versprechen, und der meisten Güter entbehren, ertappt man sie dann nicht offenkundig auf einem falschen Schein von Glückseligkeit? Ich frage dich zuerst selbst, der du noch eben in Reichtum schwammst: Hat unter diesem Überfluß von Schätzen deinen Geist niemals Angst, die aus irgend einem Unrecht erwuchs, getrübt? – Doch, sagte ich, ich kann mich nicht erinnern, jemals so freien Geistes gewesen zu sein, daß mich nicht irgend eine Sorge geängstigt hätte. – Nicht wahr, weil etwas fehlte, was du gerne nicht hättest fehlen sehen, oder S. 77 weil etwas da war, was du lieber forthaben wolltest? – So ist es, sagte ich. – Also wünschtest du das eine herbei, das andere weg? – Ich gestehe es, sagte ich. – Entbehrt man das, sagte sie, was ein jeder sich wünscht? – Man entbehrt es, sagte ich. – Wer nun etwas entbehrt, genügt nicht vollauf sich selbst? – Keineswegs, sagte ich. – Dich erfüllte also ein solches Nichtgenügen inmitten deiner Schätze? sprach sie. – Was denn sonst? sprach ich. – Also vermag dich Reichtum nicht bedürfnislos und selbstgenügsam zu machen, und gerade das schien er zu versprechen. Darüber hinaus muß man ganz besonders erwägen, daß es nicht in der Natur des Geldes liegt, daß man es seinen Besitzern ohne deren Zustimmung nicht nehmen könne. – Ich gestehe es, sagte ich. – Wie solltest du es auch nicht gestehen, da es täglich ein Stärkerer einem Schwächeren entreißt? Woher kämen denn die Gerichtsklagen, wenn nicht Geld zurückgefordert würde, das mit Gewalt oder List den Eigentümern gegen ihren Willen entrissen worden ist? – So ist es, sagte ich. – Also bedarf wohl jeder, sprach sie, eines von außen kommenden Schutzes, um sein Geld zu sichern? – Wer möchte das leugnen, sagte ich. – Gleichwohl würde er nicht eines solchen bedürfen, wenn er nicht Geld besäße, das er verlieren könnte? – Daran kann man nicht zweifeln, sagte ich. – So hat sich die Sache gerade in ihr Gegenteil verwandelt; der Reichtum, von dem man glaubte, daß er sich selbst genüge, ist vielmehr fremden Schutzes bedürftig. Auf welche Weise soll auch die Bedürftigkeit vom Reichtum vertrieben werden? Können etwa Reiche nicht hungern? Können sie nicht dürsten? Fühlen die Glieder der Begüterten nicht die Winterkälte? Aber, wirst du sagen, die Reichen haben das Mittel in der Hand, Hunger und Durst zu stillen und die Kälte abzuwehren. Dergestalt freilich läßt sich das Bedürfnis durch den Reichtum stillen, aber nicht von Grund aus abschaffen. Denn wenn auch dieser ewig gähnende, ewig begehrende Schlund mit Schätzen gefüllt wird, wird doch noch immer etwas zum Füllen bleiben. Ich schweige davon, daß der Natur das Geringste genügt, der Habgier aber nichts. Wenn also der Reichtum das Bedürfnis nicht abschaffen kann, wenn er vielmehr sein eigenes schafft, wie könnt ihr dann glauben, daß er Genüge gewähre?
III. Wenn aus des Goldes nie versiegter Quelle auch
Schöpft des Geizigen Gier Schätze, die nimmer genug,
Und schmückt er mit des Meeres Perlen seinen Hals,
Pflügt sein fruchtbares Feld hundertfältig Gespann,
Nagt doch die Sorge ewig an dem Lebenden,
Und sein nichtiger Schatz läßt ihn im Tode allein.