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Werke Boethius, Anicius Manlius Severinus (480-524) Philosophiae consolatio Trost der Philosophie (BKV)
Fünftes Buch

V.

Wenn also bei Körperempfindungen, obwohl die Eigenschaften der Dinge von außen her die Werkzeuge unserer Sinne beeinflussen und ein Dulden des Körpers der Kraft des handelnden Geistes vorangeht, was die Tätigkeit des Geistes in sich wachruft und die inzwischen im Innern ruhenden Formen erregt, wenn, sage ich, bei den Körperempfindungen der Geist nicht duldend den Eindruck empfängt, sondern aus eigener Kraft über den erlittenen Körpereindruck urteilt, um wie viel mehr folgt das, was von allen körperlichen Einflüssen völlig gelöst ist, beim Urteilen nicht den äußeren Gegenständen, sondern löst die selbständige Handlung seines Geistes aus. Aus diesem Gunde gehören den verschiedenen von einander abweichenden S. 179 Substanzen auch vielfältige Erkenntnisarten zu. Sinnesempfindung für sich allein, von aller andern Erkenntnis entblößt, gehört den unbeweglichen Lebewesen zu, wie Seemuscheln und was sonst an Gestein haftend sich ernährt, Vorstellungskraft aber den beweglichen Tieren, denen bereits ein gewisser Trieb abzulehnen und zu begehren innezuwohnen scheint. Die Vernunft aber ist allein der menschlichen Art zu eigen, wie die Intelligenz nur der göttlichen. So kommt es, daß diejenige Erkenntnis immer die andere überragt, die aus eigener Natur nicht nur die eigenen, sondern auch die Objekte der andern Erkenntnisse kennt. Wie also, wenn die Sinne und die Vorstellungskraft der Vernunft wiederstrebten [sic] und sagten, daß jenes Allgemeine, das die Vernunft zu schauen meine, nicht sei? Was nämlich sinnlich und vorstellbar ist, das könne nicht ein Universelles sein, entweder sei also das Urteil der Vernunft wahr, dann gäbe es nichts den Sinnen Erfaßbares, oder da es ja an sich bekannt ist, daß es sehr vieles, was den Sinnen und der Vorstellungskraft unterworfen ist, gibt, so sei der Begriff der Vernunft leer, der, was nur sinnlich und einzeln ist, als etwas gleichsam Allgemeines betrachte. Ferner, wenn nun die Vernunft dem entgegen antwortete, daß sie zwar das, was zu den Sinnen und der Vorstellungskraft gehöre, auf Grund der Allgemeinheit erblicke, daß jene hingegen zur Erkenntnis des Universellen nicht streben könnten, da ja ihre Erkenntnis über die körperlichen Gestalten nicht hinausgehen könne, daß sie aber an eine Erkenntnis der Dinge mit gefestigterem und vollkommenerem Urteil glauben müßten? Würden wir bei einem Streite dieser Art, wir, denen ebenso die Kraft des Vernunftschlusses wie der Vorstellungskraft und der Sinne eignet, nicht eher die Sache der Vernunft billigen? Ähnlich ist es, wenn die menschliche Vernunft meint, daß die göttliche Einsicht die Zukunft nicht erschauen könne, wenn sie nicht so wie sie selbst erkennt. Du schließest so: Wenn etwas keinen bestimmten und notwendigen Ausgang zu haben scheint, so kann es auch kein Vorherwissen von seinem bestimmten Ausgang geben. Von solcherlei Dingen gibt es also kein Vorherwissen; wenn wir trotzdem an ein solches auch bei ihnen glauben, so muß eben alles aus Notwendigkeit hervorgehen. Wenn wir, die wir der Vernunft teilhaft sind, die Urteilskraft des göttlichen Geistes besitzen könnten, so würden wir, ebenso wie wir urteilten, daß Vorstellungskraft und Sinne der Vernunft weichen müßten, auch für höchst richtig halten, daß die menschliche Vernunft dem göttuchen Geist sich unterordne. Darum sollen wir uns, wenn wir es können, zum Gipfel jener höchsten Intelligenz emporranken; denn dort wird die Vernunft sehen, was sie in sich nicht anschauen kann; auf irgend eine Weise wird dann eine Vorerkenntnis auch das, was keinen sicheren Ausgang hat, als sicher und bestimmt schauen; und dies ist keine Meinung, sondern vielmehr die in keine Grenzen eingeschlossene Einfalt des höchsten Wissens.

V. S. 181 Mannigfaltig über die Erde hin wandern Tiergeschlechter,

Diese schleppen gestreckten Leibes sich hin in niederem Staube,

Schnell mit kräftigen Sehnen ziehen sie dauernd ihre Furche.

Schweifend leichtgefiederte gibt es, die mit dem Winde flattern,

Schwebend schwimmen sicheren Fluges sie weit durch Ätherräume.

Andre freut's, wenn mit festen Tritten sie auf dem Boden schreiten,

Bald durcheilen sie grüne Gefilde, bald schlüpfen sie in Wälder;

Doch wie mannigfach und wie wechselnd auch die Gestalten scheinen,

Erdwärts dumpf zu neigen das Angesicht zwingt der Sinne Schwere.

Einzig tragen der Menschen Geschlechter nur ihre Stirne aufwärts,

Recken leichte Glieder und blicken so auf die Erde nieder.

Hat nicht irdischer Sinn dich gefesselt, dann mahnt dich dieses Gleichnis:

Wenn erhobnen Hauptes zum Himmel du mit der Stirne aufschaust,

Trag die Seele auf zum Erhabenen, daß nicht niedre Schwere

Tiefer als den aufrechten Körper dir deine Seele ziehe.

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