Nr. 76
Insofern ihr also, sagt man, dem allmächtigen Gott dienet, und vertrauet, daß er für euer Heil und euere Unversehrtheit Sorge trage, warum läßt Er zu, daß ihr so viele Verfolgungen erleidet und alle Arten Plagen und Strafen übertragt? Dagegen forschen wir, weßhalb auch ihr, da ihr doch so große und so unzählige Götter verehret, da ihr ihnen geweihte Tempel errichtet, aus Gold Bildnisse fertigt, ganze Herden lebender Wesen abschlachtet, und auf den Altären ganze Weihrauchfässer ausdampft, nicht frei seyd von so vielfachen Gefährlichkeiten und Stürmen, durch welche euch täglich die verderblichen und schwer ergründlichen Geschicke hintreiben? Weßhalb sage ich, eure Götter zaudern, so viele Arten Krankheiten und Gebrechen, Schiffbrüche, Unfälle, Brände, Seuchen, Unfruchtbarkeit, Verlust geliebter Kinder, Konfiskation der Güter, Zänkereien, Kriege, Feindschaften, Belagerungen und Sklaverei von euch abzuwenden? Aber auch uns hilft Gott in derlei Zufällen ganz und gar nicht. Die Ursache liegt offen vor Augen: denn Nichts ist uns wegen diesem Leben versprochen, und nicht ist uns in diesem Fleischsacke Befindlichen irgend ein Beistand verheißen oder eine Hilfe bewilligt; ja wir sind vielmehr belehrt, alle Bedrohungen des Geschickes, welche immer, gering zu schätzen und nicht zu berücksichtigen. Und wenn einmal irgend eine stärkere Kraft hereinbrechen werde, die nothwendig das Ende mit sich führt, dieselbe weder zu fürchten, noch zu fliehen, damit wir desto leichter uns dieser körperlichen Bande entledigen und der finstern Blindheit entkommen können.
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