Nr. 28
Denn wo Hochzeiten, Ehen, Kindbetten, Ammen, Handwerke, S. 132 Gebrechlichkeiten, wo der Zustand der Freiheit und der Sklaverei, wo Wunden, Schläge, Blut, wo Liebschaften, Sehnsucht, Wollust, wo jegliche Gemüthsbewegung aus Unstättigkeit sich findet, dort kann nothwendiger Weise nichts Göttliches seyn; und nimmer mag das dem vergänglichen Geschlechte und der irdischen Hinfälligkeit Eigenthümliche der vorzüglichern Natur anhangen: denn wer wird glauben, wenn er nur anerkennt und erfaßt, welche Machtvollkommenheit einer solchen Kraft zukomme, entweder, ein Gott hätte Zeugungsglieder und könne durch höchst geräuchvolles Abhauen derselben beraubt seyn; oder aber, er sey durch die von ihm früher erzeugten Kinder gefangen und mit Kettenstrafe gezüchtigt worden; oder er habe gewissermaßen mit seinem Vater gekämpft und ihn an seinem Recht gehindert; oder er habe, durch Geringes erschreckt, besiegt die Flucht ergriffen und gleich einem Flüchtling und Vertriebenen in ferner Abgeschiedenheit geendet. Wer, sage ich, mag glauben, ein Gott habe an menschlichem Tische sich gelagert, sey des Geizes wegen getödtet worden, habe die Flehenden durch der Antwort Zweideutigkeit getäuscht, zeichne sich aus in Diebskniffen, habe die Ehe gebrochen, im Dienst gestanden, sey verwundet worden, habe geliebt und durch alle Arten der Gelüste unzüchtiger Begierden die Verführung herumgeführt? Gleichwohl versichert ihr, alles dieß stattgefunden finde sich bei euern Göttern, und ihr übergeht keine Art der Lasterhaftigkeit, des Uebelthums, der Fehler, die ihr nicht zu der Götter Schimpf durch die Leichtfertigkeit der Meinungen aufsammelt. Entweder also müßt ihr euch andere Götter suchen, welchen dieß Alles nicht zu Schulden kommt: denn denen solches zur Last fällt, sind menschlichen und irdischen Geschlechtes; oder sind dieselben, deren Namen wie Sitten ihr veröffentlicht, so nehmt eure Meinungen hinweg: denn was immer ihr erzählt, ist Sterbliches.
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