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Summe der Theologie
Erster Artikel. Die Gabe der Prophezeiung kommt nicht von der Natur.
a) Dem steht entgegen: I. Gregor (4. dialog. 6.) sagt: „Die Kraft selber der Seelen sieht aus Grund ihrer Schärfe Manches vorher.“ Und Augustin (12. sup. gen. ad litt. 13.): „Der menschlichen Seele kommt es zu, Zukünftiges vorher zusehen, soweit sie von den Sinnen losgelöst ist.“ Dies ist aber Prophezeien. II. Die Kenntnis der Seele ist kraftvoller im wachenden Zustande des Menschen wie im Schlafe. Manche aber sehen auf Grund ihrer Natur vorher, wenn sie eingeschläfert sind, nach Aristoteles (de somno et vigil. c. 2). III. Der Mensch ist seiner Natur nach vollendeter wie die Tiere. Die Ameisen aber z. B. erkennen vorher zukünftigen Regen, denn vorher bergen sie die Getreidekörner in das Loch, welches ihnen als Magazin dient; ebenso erkennen die Fische vorher den kommenden Sturm, man merkt dies an ihren Bewegungen, vermittelst deren sie dem Sturme ausgesetzte Orte vermeiden. Also weit mehr erkennen die Menschen naturgemäßerweise das sie betreffende Zukünftige vorher. IV. Prov. 29. heißt es: „Wenn die Prophetie fehlen wird, wird das Volk zerstreut werden.“ Also ist die Prophetie dem Wohle des Volkes notwendig. Die Natur aber ermangelt nicht des Notwendigen. Auf der anderen Seite heißt es 2. Petr. 1.: „Nicht kraft des menschlichen Willens ist die Prophetie zu uns gekommen; sondern kraft der Einsprechung des heiligen Geistes haben die heiligen Männer Gottes gesprochen.“ Also ist die Gabe der Weissagung nicht von der Natur, sondern vom heiligen Geiste.
b) Ich antworte, die prophetische Kenntnis erstrecke sich 1. auf das Zukünftige in sich, gemäß seinem thatsächlichen Bestände betrachtet; 2. soweit es in seinen Ursachen enthalten ist. Die erstere Art Kenntnis nun ist eigen dem göttlichen Wissen, dem Alles: Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft,, seinem thatsächlichen Sein nach gegenwärtig ist. Eine solche prophetische Kenntnis also kann nur auf Offenbarung von feiten Gottes her sich gründen. Soweit jedoch das Zukünftige in seinen Ursachen mit Notwendigkeit enthalten ist, kann es auch kraft natürlicher Kenntnis vom Menschen erkannt werden; wie der Arzt vorhererkennt die Gesundheit oder den mehr oder minder bald eintretenden Tod in den entsprechenden Ursachen, deren Beziehung zu solchen Wirkungen er erfahrungsgemäß festgestellt hat. Und solche Kenntnis kann dem Menschen in doppelter Weise von Natur aus zukommen: 1. daß die Seele es von vornherein in sich trägt, Zukünftiges zu erkennen; danach wollten nach Augustin (12. sup. Gen. ad litt. 13.) einzelne, „die Seele habe eine gewisse Seherkraft in ihrer Natur.“ Dies ist nach der Meinung Platos, der annahm, die Seele erkenne Alles kraft der Teilnahme an den Ideen, jedoch werde diese Kenntnis verdüstert durch die Sinne; in den einen mehr in den anderen weniger, je nach den verschiedenen Stufen der Reinheit des Körpers. Dagegen wirft Augustin jedoch (1. o.) ein: „Warum aber kann dann die Seele nicht immer vorhersehen, da sie es immer will?“ Da indessen jene Meinung bei weitem wahrscheinlicher ist, nach welcher, wie Aristoteles will, die Seele von den Sinnen her ihre Kenntnis erhält (I. Kap. 84), so muß man vielmehr sagen, daß nicht auf diesem erstgenannten Wege, sondern auf dem zweiten, nämlich auf Grund der natürlichen Anlagen, einer guten Verfassung der Einbildungskraft und eines hellen Verständnisses und vermittelst der Erfahrung, Zukünftiges wie das an zweiter Stelle Bezeichnete erkannt werden kann. Dieses Vorherwissen aber ist vom ersten, was auf göttlicher Offenbarung beruht, unterschieden:
a) dadurch daß das letztere auf alles Zukünftige schlechthin sich erstreckt und zwar mit unfehlbarer Gewißheit; —
b) dadurch daß die erste Art prophetischer Kenntnis unverrückbare Wahrheit in sich schließt, während das auf Erfahrung beruhende Vorherwissen auch Falsches zum Gegenstande haben kann; zudem es sich nur auf einzelne, der Zahl nach sehr beschränkte Wirkungen erstreckt, an welche nämlich die menschliche Erfahrung hinanreichen kann. Da nun prophetische Kenntnis das zum Gegenstande hat, was menschliche Erkenntniskraft übersteigt; so kommt die eigentlich so genannte Prophetie nicht von der Natur, sondern aus göttlicher Offenbarung.
c) I. Die Seele, losgelöst von den äußeren Sinnen, wird geeigneter, um den Einfluß der geistigen Substanzen in sich aufzunehmen und auch, um die feinen stofflichen Eindrücke resp. Bewegungen wahrzunehmen, die vom Einflüsse natürlicher Ursachen her in der Einbildungskraft zurückbleiben und welche die mit dem Sichtbaren beschäftigte Seele nicht erfaßt. Deshalb sagt Gregor (l.c.): „Nähert sich die Seele dem Tode, so erkennt sie kraft ihrer natürlichen Schärfe Manches vorher.“ Oder sie erkennt das Zukünftige kraft der Offenbarung seitens der Engel, nicht aber aus eigener Kraft. II. Die Kenntnis der zukünftigen Dinge seitens der schlafenden kommt von der Offenbarung geistiger Substanzen oder auf Grund einer körperlichen Ursache. (Kap. 95, Art. 6.) Beides geschieht besser im Traume wie im wachenden Zustande, weil da die Seele nicht zerstreut ist durch die Beschäftigung mit dem Äußerlichen und somit auch die feinsten Eindrücke wahr nehmen kann. Mit Rücksicht aber auf die Vollendung des Urteils ist die Vernunft kraftvoller beim wachenden wie beim schlafenden. III. Die Einbildungskraft der Tiere wird durch die Ursachen, in denen das Zukünftige enthalten ist und aus denen es mit Notwendigkeit folgt, in Thätigkeit gesetzt; und danach regeln sich ihre äußeren Bewegungen. Die Vernunft aber im Menschen wiegt mehr auf als diese natürlichen Eindrücke in die Einbildungskraft der Tiere; und noch mehr hilft den Menschen die göttliche Gnade, welche die Propheten erleuchtet. IV. Das prophetische Licht erstreckt sich auf die Leitung menschlicher Thätigkeiten. Und danach ist zur Leitung der Völker die Prophetie notwendig; zumal mit Bezug auf die Gottesverehrung, zu welcher die Natur nicht ge nügt, sondern die Gnade erfordert ist.
Edition
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Summa theologiae
Articulus 1
IIª-IIae, q. 172 a. 1 arg. 1
Ad primum sic proceditur. Videtur quod prophetia possit esse naturalis. Dicit enim Gregorius in IV Dialog., quod ipsa aliquando animarum vis sua subtilitate aliquid praevidet. Et Augustinus dicit, in XII super Gen. ad Litt., quod animae humanae, secundum quod a sensibus corporis abstrahitur competit futura praevidere. Hoc autem pertinet ad prophetiam. Ergo anima naturaliter potest assequi prophetiam.
IIª-IIae, q. 172 a. 1 arg. 2
Praeterea, cognitio animae humanae magis viget in vigilando quam in dormiendo. Sed in dormiendo quidam naturaliter praevident quaedam futura, ut patet per philosophum, in libro de somno et Vigil. Ergo multo magis potest homo naturaliter futura praecognoscere.
IIª-IIae, q. 172 a. 1 arg. 3
Praeterea, homo secundum suam naturam est perfectior animalibus brutis. Sed quaedam animalia bruta habent praecognitionem futurorum ad se pertinentium, sicut formicae praecognoscunt pluvias futuras, quod patet ex hoc quod ante pluviam incipiunt grana in foramen reponere; et similiter etiam pisces praecognoscunt tempestates futuras, ut perpenditur ex eorum motu, dum loca tempestuosa declinant. Ergo multo magis homines naturaliter praecognoscere possunt futura ad se pertinentia, de quibus est prophetia. Est ergo prophetia a natura.
IIª-IIae, q. 172 a. 1 arg. 4
Praeterea, Prov. XXIX dicitur, cum prophetia defecerit, dissipabitur populus, et sic patet quod prophetia necessaria est ad hominum conservationem. Sed natura non deficit in necessariis. Ergo videtur quod prophetia sit a natura.
IIª-IIae, q. 172 a. 1 s. c.
Sed contra est quod dicitur II Pet. I, non enim voluntate humana allata est aliquando prophetia, sed spiritu sancto inspirante, locuti sunt sancti Dei homines. Ergo prophetia non est a natura, sed ex dono spiritus sancti.
IIª-IIae, q. 172 a. 1 co.
Respondeo dicendum quod, sicut supra dictum est, prophetica praecognitio potest esse de futuris dupliciter, uno modo, secundum quod sunt in seipsis; alio modo, secundum quod sunt in suis causis. Praecognoscere autem futura secundum quod sunt in seipsis, est proprium divini intellectus, cuius aeternitati sunt omnia praesentia, ut in primo dictum est. Et ideo talis praecognitio futurorum non potest esse a natura, sed solum ex revelatione divina. Futura vero in suis causis possunt praecognosci naturali cognitione etiam ab homine, sicut medicus praecognoscit sanitatem vel mortem futuram in aliquibus causis, quarum ordinem ad tales effectus experimento praecognoverunt. Et talis praecognitio futurorum potest intelligi esse in homine a natura dupliciter. Uno modo, sic quod statim anima, ex eo quod in seipsa habet, possit futura praecognoscere. Et sic sicut Augustinus dicit, XII super Gen. ad Litt., quidam voluerunt animam humanam habere quandam vim divinationis in seipsa. Et hoc videtur esse secundum opinionem Platonis, qui posuit quod animae habent omnium rerum cognitionem per participationem idearum, sed ista cognitio obnubilatur in eis per coniunctionem corporis, in quibusdam tamen plus, in quibusdam vero minus, secundum corporis puritatem diversam. Et secundum hoc, posset dici quod homines habentes animas non multum obtenebratas ex corporum unione, possunt talia futura praecognoscere secundum propriam scientiam. Contra hoc autem obiicit Augustinus, cur non semper potest, scilicet vim divinationis habere anima, cum semper velit? Sed quia verius esse videtur quod anima ex sensibilibus cognitionem acquirat, secundum sententiam Aristotelis, ut in primo dictum est; ideo melius est dicendum alio modo, quod praecognitionem talium futurorum homines non habent sed, acquirere possunt per viam experimentalem; in qua iuvantur per naturalem dispositionem secundum quam in homine invenitur perfectio virtutis imaginativae et claritas intelligentiae. Et tamen haec praecognitio futurorum differt a prima, quae habetur ex revelatione divina, dupliciter. Primo quidem, quia prima potest esse quorumcumque eventuum, et infallibiliter. Haec autem praecognitio quae naturaliter haberi potest, est circa quosdam effectus ad quos se potest extendere experientia humana. Secundo, quia prima prophetia est secundum immobilem veritatem, non autem secunda, sed potest ei subesse falsum. Prima autem praecognitio proprie pertinet ad prophetiam, non secunda, quia, sicut supra dictum est, prophetica cognitio est eorum quae excedunt universaliter humanam cognitionem. Et ideo dicendum est quod prophetia simpliciter dicta non potest esse a natura, sed solum ex revelatione divina.
IIª-IIae, q. 172 a. 1 ad 1
Ad primum ergo dicendum quod anima, quando abstrahitur a corporalibus, aptior redditur ad percipiendum influxum spiritualium substantiarum, et etiam ad percipiendum subtiles motus qui ex impressionibus causarum naturalium in imaginatione humana relinquuntur, a quibus percipiendis anima impeditur cum fuerit circa sensibilia occupata. Et ideo Gregorius dicit quod anima quando appropinquat ad mortem, praecognoscit quaedam futura subtilitate suae naturae, prout scilicet percipit etiam modicas impressiones. Aut etiam cognoscit futura revelatione angelica. Non autem propria virtute. Quia, ut Augustinus dicit, XII super Gen. ad Litt., si hoc esset, tunc haberet quandocumque vellet, in sua potestate futura praecognoscere, quod patet esse falsum.
IIª-IIae, q. 172 a. 1 ad 2
Ad secundum dicendum quod praecognitio futurorum quae fit in somnis, est aut ex revelatione substantiarum spiritualium, aut ex causa corporali, ut dictum est cum de divinationibus ageretur. Utrumque autem melius potest fieri in dormientibus quam in vigilantibus, quia anima vigilantis est occupata circa exteriora sensibilia, unde minus potest percipere subtiles impressiones vel spiritualium substantiarum vel etiam causarum naturalium. Quantum tamen ad perfectionem iudicii, plus viget ratio in vigilando quam in dormiendo.
IIª-IIae, q. 172 a. 1 ad 3
Ad tertium dicendum quod bruta etiam animalia non habent praecognitionem futurorum effectuum nisi secundum quod ex suis causis praecognoscuntur, ex quibus eorum phantasiae moventur. Et magis quam hominum, quia phantasiae hominum, maxime in vigilando, disponuntur magis secundum rationem quam secundum impressionem naturalium causarum. Ratio autem facit in homine multo abundantius id quod in brutis facit impressio causarum naturalium. Et adhuc magis adiuvat hominem divina gratia prophetas inspirans.
IIª-IIae, q. 172 a. 1 ad 4
Ad quartum dicendum quod lumen propheticum se extendit etiam ad directiones humanorum actuum. Et secundum hoc, prophetia necessaria est ad populi gubernationem. Et praecipue in ordine ad cultum divinum, ad quem natura non sufficit, sed requiritur gratia.