Erster Artikel. Gegenstand des Hasses ist das Übel.
a) Das Gegenteil hat Folgendes für sich: I. Was ist, das ist insoweit es Sein hat gut. Wäre also der Gegenstand des Hasses etwas Böses, so würde er niemals irgend eine Sache sein, sondern höchstens ein Mangel, der dem betreffenden Dinge anhaftet. Dies aber ist erfahrungsgemäß falsch. II. Das Böse hassen ist gut; weshalb 2. Malt. 3. gesagt wird: „Die Gesetze wurden gut beobachtet um des Hohenpriesters Omas willen und wegen derer, die in ihrer Seele das Böse haßten.“ Wird also nur das Böse, das Übel, gehaßt, so folgt, daß jeder Haß Lob verdient. III. Nicht das Nämliche ist zugleich gut und böse. Das Nämliche aber wird von manchen gehaßt und von anderen geliebt. Also geht der Haß auch auf das Gute. Auf der anderen Seite steht Haß der Liebe gegenüber. Der Gegenstand der Liebe aber ist wie gezeigt das Gute; also ist der des Hasses das Böse.
b) Ich antworte, daß, da das rein natürliche Begehren immerdar von einer Auffassung sich ableitet, mag auch eine solche Auffassung mit dem Begehrenden selber nicht verbunden, sondern außerhalb desselben sein, ganz der gleiche Grund obwalten muß für die Hinneigung des rein natürlichen Begehrens wie z. B. desjenigen was im Steine ist, und für die Hinneigung des sinnlichen Begehrens, das da folgt der im Begehrenden selber befindlichen, mit ihm also verbundenen Auffassung. Nun erscheint aber dies offenbar in solchem rein natürlichen Begehren, daß, gleichwie jegliches Ding eine natürliche Verwandtschaft oder Gleichförmigkeit hat mit dem ihm Zukömmlichen; so es auch ein Widerstreben besitzt gegen das, was ihm zum Verderben gereicht; und dieses Widerstreben nennen wir „natürlichen“ d. i. in der betreffenden Natur des Dinges selbst begründeten „Haß“. So also ist auch beim sinnlichen oder vernünftigen Begehren Liebe die Verwandtschaft im Begehren mit dem ihm als zukömmlich Aufgefaßten; Haß das Widerstreben gegen das als verderblich und schädigend Aufgefaßte. Wie aber alles für ein Wesen Zukömmliche insoweit den Charakter des Guten besitzt; so hat alles für ein Wesen Schädliche insoweit den Charakter des Bösen. Wie also der Gegenstand der Liebe das Gute ist, so ist der Gegenstand des Hasses das Böse.
c) I. Sein als Sein hat nicht den Charakter des Widerstrebenden oder Verderblichen; denn alle Dinge kommen überein im Sein. Sein aber als dieses beschränkte, bestimmte Sein steht gegenüber und widerstrebt einem anderen beschränkten, bestimmten Sein. Und demgemäß ist ein Sein Gegenstand des Hasses für das andere; nicht an sich insoweit es Sein hat, sondern mit Rücksicht auf ein anderes Sein. II. Wie manchmal etwas als gut aufgefaßt wird, was in Wahrheit nicht gut ist; so wird auch oft etwas als böse aufgefaßt, was nicht in Wirklichkeit böse ist. Und so trifft es sich, daß manchmal weder der Haß gegen ein wahres Übel, noch die Liebe auf ein wahres Gut sich richtet. III. Gemäß dem rein natürlichen Begehren ist das Nämliche nach verschiedenen Seiten hin lobwert und hassenswert zugleich, insofern es der Natur des einen zukömmlich ist, der Natur des anderen aber widerstrebt; wie die Wärme zukömmlich ist dem Feuer und widerstrebt dem Wasser. Gemäß dem sinnlichen Begehren ist das Nämliche für den einen gut, für den anderen schlecht und zwar zu gleicher Zeit, insoweit die Auffassung, im einen und im anderen verschieden ist.
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