Achter Artikel. Das eine Ergötzen kann entgegen sein dem anderen.
a) Das scheint unmöglich. Denn: I. Die Leidenschaften der Seele erhalten ihre Gattungsform und somit auch ihren Gegensatz untereinander vom Gegenstande. Der Gegenstand des Ergötzens aber ist das Gute. Da also dem Guten nicht das Gute entgegensteht, sondern nur das Böse, wie es in den Prädikamenten heißt (cap. dei oppos.), so kann kein Ergötzen im Gegensatze stehen zu einem anderen Ergötzen. II. Ein Ding hat nur einen Gegensatz. Der Gegensatz zum Ergötzen aber ist die Trauer; also nicht ein anderes Ergötzen. III. Wenn dem einen Ergötzen das andere entgegensteht, so kann dies nur deshalb sein, weil die Gegenstände des Ergötzens zu einander im Gegensatze stehen. Das aber wäre nur ein materialer Unterschied, während der formale Gegensatz begründet sein muß in einem Unterschiede gemäß der bestimmenden Form. (10 Metaph.) Auf der anderen Seite sagt Aristoteles (10 Metaph.): „Jene Dinge, die sich gegenseitig hindern und innerhalb der nämlichen Seinsart sich finden, sind im Gegensatze zu einander.“ Nach 10 Ethic. 5. aber hindern sich manche Ergötzlichkeiten gegenseitig. Also stehen sie zu einander im Gegensatze.
b) Ich antworte, der Ergötzlichkeit als einer Hinneigung der Seele entspricht im Bereiche des Körperlichen die Ruhe. Nun steht aber die eine Ruhe gegenüber der anderen, soweit nämlich der Ort, wo die Ruhe ist, einem anderen entgegengesetzt ist, wie z. B. die Ruhe oben in der Höhe entgegengesetzt ist der Ruhe unten in der Tiefe. (5 Phys.) Und so trifft es sich auch, daß in den Ergötzlichkeiten der Seele ein Gegensatz besteht und die eine also gegenübersteht der anderen.
c) I. Dieser Ausdruck des Aristoteles gilt, soweit es sich um Tugenden und Laster handelt. Denn es bestehen wohl zwei sich entgegengesetzte Laster; nicht jedoch besteht ein Gegensatz zwischen zwei Tugenden. Im Bereiche aller anderen Seinsarten aber steht dem nichts entgegen, daß das eine Gute sich entgegenstellt dem anderen, wie z. B. das Warme dem Kalten, wo das Warme ein Gut ist für das Feuer, das Kalte ein Gut für das Wasser. Und nach dieser Weise kann ein Ergötzen dem anderen gegenüberstehen. Dies kann aber im Guten, was der Tugend zukommt, nicht stattfinden; denn das Gute der Tugend wird bemessen nach durchaus einheitlichem Maßstabe, nämlich nach der Vernunft. II. Das Ergötzen ist, wie die Ruhe im Bereiche des Körperlichen, in etwas Zukömmlichem, der betreffenden Natur Entsprechendem. Die Trauer aber ist gleichsam eine gewaltsame Ruhe. Denn was Trauer erweckt, widerstreitet dem Begehren des Sinnbegabten, wie der Ort der gewaltsamen Ruhe dem Hinneigen der Natur. Zur natürlichen Ruhe aber steht im Gegensatze sowohl die gewaltsame Ruhe am selben Orte als auch die natürliche Ruheam entgegengesetzten Orte; und so steht dem einen Ergötzen entgegen sowohl das Ergötzen am gegenteiligen Gute als auch die Trauer. III. Die Verschiedenheit in den Gegenständen des Ergötzens macht nicht allein eine materiale Verschiedenheit, weil etwa diese Gegenstände nur eben der Zahl oder dem Stoffe nach verschieden wären; — sondern es entsteht daraus eine formale Verschiedenheit, je nachdem der maßgebende Grund des Ergötzens verschieden ist. Denn die Verschiedenheit im bestimmenden Grunde von seiten des Gegenstandes bringt Verschiedenheit hervor in den Thätigkeiten und in den Leidenschaften.
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