Siebenter Artikel. Es giebt Ergötzungen, bie unnatürlich genannt werden müssen.
a) Dagegen läßt sich geltend machen: I. Das Ergötzen ist unter den Affekten der Seele vergleichbar mit der Ruhe unter den Zuständen, die dem Körper zukommen. Die Hinneigung der Natur im Körper ruht aber allein in dem ihr angemessenen Orte. Also kann auch die Beruhigung des sinnlichen Begehrens nur stattfinden in etwas der Natur desselben Entsprechendem. II. Was gegen die Natur sich richtet, nennt man Zwang oder gewaltsam. „Alles Gewaltsame aber bringt Trauer,“ heißt es 5 Metaph. Nichts Unnatürliches also kann ergötzlich sein. III. „In die eigene Natur gemäß dem Thätigsein hineingebildet werden, wenn empfunden oder gefühlt wird, verursacht Ergötzen,“ sagt Aristoteles. Vgl. Art. 1. In seine eigene Natur hineingebildet werden ist aber sicherlich naturgemäß. Also kein Ergötzen ist un- oder widernatürlich. Auf der anderen Seite sagt Aristoteles (7 Ethic. 12.): „Manche Ergötzlichkeiten sind krankhaft oder unnatürlich.“
b) Ich antworte, „natürlich“ werde genannt, was gemäß der Natur ist. „Natur“ aber hat im Menschen eine doppelte Bedeutung. Es kann erstens damit ausgedrückt werden das Hauptsächliche im Menschen, wonach der Mensch nämlich seine Gattung „Mensch“ hat: die Vernunft; — und danach können jene Ergötzlichkeiten des Menschen als natürlich bezeichnet werden, welche der Vernunft entsprechen, wie z. B. es dem Menschen naturgemäß ist, an der Wahrheit oder an den Tugendübungen sich zu ergötzen. Dann kann damit ausgedrückt werden, was dem Menschen und dem Tiere gemeinsam ist; — und danach hat der Mensch Ergötzen an dem, was zur Erhaltung seiner einzelnen Person beiträgt, also an Speise und Trank z. B., oder was zur Erhaltung der Gattung dient und somit zum Fortpflanzungstriebe. Nach beiden Seiten hin nun können im Menschen Ergötzungen sein, die an und für sich unnatürlich sind, und nur unter gewisser Beziehung natürlich. Denn in einer einzelnen Person kann es geschehen, daß eines von den natürlichen Principien der Gattung als solches zu Schaden kommt; und so wird, was an und für sich gegen die Natur der Gattung ist, unter gewisser Beziehung natürlich oder naturgemäß für die einzelne Person. So ist im einzelnen Falle es dem erwärmten Wasser natürlich, daß es warm macht, während dem Wasser seiner allgemeinen Natur nach vielmehr es natürlich ist, Kälte zu verursachen. Ähnlich also wird im genannten Falle, was gegen die Natur des Menschen im allgemeinen ist, sei es mit Rücksicht auf die Vernunft sei es mit Rücksicht auf die Erhaltung des Körpers, diesem einzelnen Menschen natürlich auf Grund eines Schadens, welchen die Natur in ihm trägt. Dieser Schaden oder dieses Verderbnis kann nun sein entweder auf seiten des Körpers, wie dies bei Krankheiten der Fall ist, wenn z. B. den Fieberkranken das Süße bitter vorkommt und umgekehrt; oder wie dies bei schlechter Komplexion erscheint, wenn man z. B. es ergötzlich findet, Erde zu essen, Kohlen u. dgl; — oder es kann dieser Schaden sich finden auf seiten der Seele, wie z. B. manche aus Gewohnheit sich ergötzen im Menschenfressen oder im geschlechtlichen Umgänge mit Tieren oder mit Personen desselben Geschlechtes oder in Ähnlichem, was nicht der menschlichen Natur gemäß erscheint.
c) Damit ist erwidert auf die Einwürfe.
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