Vierter Artikel. Das Ergötzen ist Regel und Richtschnur, gemäß welcher der Charakter des moralischen Guten oder schlechten bemessen wird.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. „In jeder Seinsart ist Regel und Richtschnur das, was innerhalb derselben an erster Stelle steht,“ heißt es 10 Metaph. Das Ergötzen aber steht im Bereiche des Moralischen nicht an erster Stelle; denn es gehen ihm voran die Liebe und das Verlangen. Also. II. Regel und Richtschnur muß stets sich gleichförmig sein. Aus diesem Grunde „ist die am meisten gleichförmige Bewegung,“ schreibt Aristoteles (10. Metaph.), „die Regel und das Maß für alle Bewegungen.“ Die Ergötzungen aber sind vielgestaltig; denn die einen sind gut, die anderen schlecht. Also eignet sich das Ergötzen nicht zum Maße und zur Richtschnur im Moralischen. III. Umgekehrt ist das Gute oder Schlechte im Thätigsein Ursache des Guten oder Schlechten im Ergötzen. Denn „gut sind die Ergötzungen, welche guten Thätigkeiten folgen; und schlecht, die schlechtes Thätigsein begleiten,“ heißt es 10 Ethic. 5. Also da ein zuverlässiges Urteil über eine Wirkung lieber genommen wird aus der Ursache als umgekehrt, kann das Ergötzen keine Richtschnur abgeben für den Charakter des moralisch Guten oder Schlechten. Auf der anderen Seite sagt Augustin zu Ps. 7. Scrutans corda: „Das Ende der Sorge und des Denkens ist das Ergötzen, wozu jemand gelangen will.“ Und Aristoteles schreibt (7 Ethic. 11.): „Das Ergötzen ist das hauptsächliche, schließliche Ende; mit Rücksicht auf dasselbe bezeichnen wir schlechthin Jegliches, dieses nun als schlecht und jenes als gut.“
b) Ich antworte, „gut“ und „schlecht“ findet sich in leitender Weiseinnerhalb des Willens. Ob nun der Wille gut oder schlecht ist, kann man am besten aus dem Ende erkennen. Dies ist nämlich jenes Ende, wo der Wille schließlich ruht. Diese Ruhe aber ist eben das Ergötzen. Also gemäß dem Ergötzen wird der Mensch vorzugsweise als gut oder schlecht bezeichnet. Denn gut ist, wer in den Tugendwerken sein Vergnügen hat; schlecht, wer solches in schlechten sucht. Die Ergötzungen des sinnlichen Begehrens jedoch sind nicht die Richtschnur für das moralisch Gute und Schlechte. Denn die Speise, welche gemeinhin ergötzlich erscheint, ist dies gemäß dem sinnlichen Begehren, was sich gemeinhin auf Gutes oder Schlechtes richten kann. Der Wille der Tugendhaften freut sich deshalb daran, weil sie der Vernunft entspricht; während der Wille des Bösen sich darum nicht kümmert.
c)I. Das Ergötzen ist früher gemäß der Absicht, die für das Thätigsein den Charakter des Princips, also der treibenden Ursache hat; und eben vom Princip nimmt man am besten die Richtschnur; um zu urteilen. Liebe und Sehnsucht sind früher gemäß der Ausführung. II. Jedes Ergötzen ist darin mit allen anderen gleichförmig, daß es Ruhe in einem Gute bedeutet; und danach ist das Ergötzen Regel im Moralischen. Denn jener ist gut, dessen Wille ruht im wahren Gute; schlecht ist jener, dessen Wille ruht im Schlechten. III. Das Ergötzen vollendet in der Weise des Zweckes oder der Vollendung des Thätigsein. Also kann kein Wirken vollendet gut sein, wenn nicht das Ergötzen im Guten mit da ist. Denn die Güte einer Sache hängt ab vom letzten vollendenden Zwecke; und so ist die Güte im Ergötzen gleichsam Ursache für die Güte im Thätigsein.
