Achter Artikel. Es giebt vier Gattungen von Traurigkeit.
a) Unzulässigerweise werden von Damascenus (2 de orth. fide 13.) vier Gattungen von Trauer angegeben: Abgespanntheit, Angst, Mitleid und Scheelsucht. Denn: I. Die Trauer steht dem Ergötzen gegenüber; beim Ergötzen aber ist nicht die Rede von verschiedenen Gattungen. II. Die Reue ist eine Gattung von Trauer und ebenso die Rache und der Eifer, sagt Aristoteles 2 Rhet. 9 et 11. Diese werden aber in den genannten vier Gattungen nicht inbegriffen. III. Jede Teilung einer gemeinsamen „Art“ in Gattungen darf nur nach einem gewissen Gegensatze geschehen. Die besagten vier Gattungen aber haben keinen Gegensatz untereinander. Denn nach Nyssenus ist „Abspannung“ oder „Mutlosigkeit“ (acedia) „eine Trauer, welche die Worte abschneidet;“ die „Angst ist eine Trauer, die schwermütig macht;“ die Scheelsucht ist eine Trauer wegen des Guten in anderen;“ das „Beileidaber ist eine Trauer um der Übel in anderen willen.“ Dies Alles aber kann zusammen jemandem begegnen, daß er kein Wort sprechen kann, traurig ist wegen der Güter in den einen, der Übel in den anderen etc. Also ist dies keine gebührende Einteilung. Auf der anderen Seite steht die Autorität des Damascenus und Nyssenus.
b) Ich antworte, zum Wesen einer Gattung gehöre es, daß sie sich zur „Art“ verhält wie etwas Hinzugefügtes. Zur „Art“ kann aber etwas in doppelter Weise hinzugefügt werden: einmal, insoweit es von sich aus kraft seiner Natur zur „Art“ gehört und dem Vermögen nach in ihm enthalten ist, wie „vernünftig“ hinzugefügt wird zur „Art“ des Sinnbegabten; — und solches Hinzufügen stellt wahre Gattungen her innerhalb der gemeinsamen Art. (7 Metaph.) Dann kann zur „Art“ etwas an sich Fremdes hinzugefügt werden, was nicht zur Natur der Art gehört; wie wenn zum Sinnbegabten z. B. das „Weiße“ hinzugefügt wird oder Ähnliches; — und das stellt nicht eigentliche Gattungen her, wie wir von „Art“ und Gattung gewöhnlich sprechen. Bisweilen jedoch wird etwas als Gattung einer „Art“ bezeichnet, weil es etwas Fremdartiges an sich hat, worauf die Natur der „Art“ eine etwelche Anwendung findet. So werden die Kohle und die Flamme bezeichnet als Gattungen des Feuers; weil die Natur des Feuers da Anwendung findet auf einen ihm fremden Stoff. Ähnlich werden die Perspektive und Astronomie Gattungen der Mathematik genannt, insofern die Principien der Mathematik da angewandt werden auf einen ihr an sich fremden, der Natur angehörigen Stoff. Und in dieser Weise wird hier von Gattungen gesprochen, insoweit nämlich das Wesen der Traurigkeit Anwendung findet auf etwas ihm an und für sich Fremdes und Äußerliches. Letzteres nun kann genommen werden von seiten der Ursache und des Gegenstandes oder von seiten der Wirkung. Denn das der Trauer eigene Objekt ist das eigene Übel. Also als ein der Trauer an sich fremder Gegenstand kann etwas bezeichnet werden entweder rein gemäß dem Anderen, Fremden, weil es nämlich ein Übel ist, wenn auch nicht für die eigene Person — und das ist dann Mitleid, Trauer nämlich über fremdes Übel, insoweit dies als eigenes betrachtet wird; — oder dieser an sich fremde Gegenstand kann bezeichnet werden in Bezug auf Beides als ein fremder, nämlich weder als Übel noch als eigen, sondern als Gutes im Anderen, insoweit freilich das Übel im Anderen betrachtet wird als eigenes Gut und so ist es Scheelsucht. Die der Trauer eigene Wirkung nun besteht in einem gewissen Fliehen von seiten des Begehrens. Und da kann das Fremde mit Bezug auf die Wirkung der Trauer genommen werden als allein mit Rücksicht auf das Andere, Fremde, weil nämlich das Fliehen entfernt wird; und so ist da Angst, welche so den Geist beschwert, daß keine Ausflucht erscheint, so daß ein anderer Name dafür ist Beengstigung, Enge. Wenn aber diese Angst sich so weit erstreckt, daß sie auch die äußeren Glieder unbeweglich macht, so daß sie nicht thätig sind, so ist dies die acedia, Abspannung; und das ist dann etwas Fremdes mit Rücksicht auf Beides, es ist da weder thatsächlich ein Fliehen noch ist dies im Begehren. Deshalb aber wird von der Abspannung oder Mutlosigkeit gesagt, sie schneide das Wort ab, weil das Wort unter allen äußeren Bewegungen am meisten ausdrückt die innere Auffassung und Hinneigung.
c) I. Das Ergötzen kommt vom Guten, was immer in der nämlichen Weise gilt, nur immer ein und denselben Begriff immer vertritt. Das Übel aber ist vielgestaltet, wie Dionysius sagt. (4. de div. nom.) II. Die Reue bezieht sich auf das eigene Übel, das an und für sich, seiner Natur nach, Gegenstand der Trauer ist und deshalb zu diesen Gattungen nicht gehört. „Eifer“ und „Rachsucht“ aber gehören dem Neide an; vgl. unten. III. Diese Teilung hier geschieht nicht gemäß dem Gegensatze der Untergattungen, sondern gemäß der Verschiedenheit des an sich Fremdartigen, wozu jedoch die Natur der Trauer eine Beziehung hat.