Zweiter Artikel. Der Mangel ist Ursache der Furcht.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Wer Macht hat, wird am meisten gefürchtet. Der Mangel aber steht entgegen der Macht. II. Die bereits geköpft werden, befinden sich im größten Mangel; sie fürchten aber nicht. (2 Rhet. 4.) III. Kämpfen kommt von der Kraft, nicht vom Mangel. Die aber streiten, fürchten jene, mit denen sie streiten. Auf der anderen Seite ist das Entgegengesetzte Ursache vom Entgegengesetzten. Reichtum, Kraft, eine Menge von Freunden und große Macht schließen nun Furcht aus; wie l. c. es heißt. Also vom Mangel rührt die Furcht her.
b) Ich antworte; soweit es die eben erwähnte in der Weise der materialen das Vermögen subjektiv vorbereitende Ursache angeht, so ist von vornherein selbstverständlich der Mangel Ursache für die Furcht. Denneben deshalb hat man Furcht, weil man dem drohenden schweren Übel nicht mit Leichtigkeit Widerstand leisten kann. Jedoch wird für diesen Mangel ein gewisses Maß erfordert, damit er Ursache der Furcht sei. Denn geringer ist der Mangel, welcher verursacht die Furcht vor dem zukünftigen Übel wie jener, welcher folgt dem gegenwärtigen Übel, worüber Trauer besteht; und noch größer würde der Mangel sein, wenn die Empfindung des Übels vollständig fortgenommen würde oder die Liebe jenes Guten, was dem Übel entgegensteht. Wird aber die wirkende Ursache berücksichtigt, so ist Reichtum, Macht etc. am meisten Ursache der Furcht. Denn deshalb weil etwas als verderblich Aufgefaßtes kraftvoll ist, geschieht es, daß dessen Wirkung nicht abgewiesen werden kann. Nebensächlich aber kann auch hier ein Mangel Ursache der Furcht sein, inwieweit nämlich infolge eines Mangels es sich trifft, daß jemand Schaden jemandem anthun will, z. B. wegen Ungerechtigkeit oder weil er vorher verletzt worden ist oder weil er fürchtet, verletzt zu werden.
c) I. Das wird gesagt von seiten der einwirkenden Ursache. II. Die enthauptet werden, leiden unter dem gegenwärtigen Übel; und deshalb ragt dieser Mangel über das Maß der Furcht hervor. III. Nicht auf Grund ihrer Macht fürchten die Kämpfenden, sondern weil ihnen an Macht etwas mangelt.
