Erster Artikel. Auch der Körper ist Sitz von Zustanden.
a) Dagegen spricht: I. Averroës schreibt (3. de anima com. 18.): „Der Zustände bedient man sich, sobald man will.“ Die körperlichen Thätigkeiten aber als mit der Natur gegebene unterliegen nicht dem Willen. Also ist da kein Zustand. II. Alle Verfassungen im Bereiche des Körperlichen sind leicht zu ändern. Ein Zustand aber ist seinem Wesen nach schwer veränderlich. III. Alle körperlichen Verfassungen unterliegen dem beständigen Anderswerden. Das Anderswerden aber ist in der dritten Gattung der „Eigenschaft“, welche also als Unterabteilung der „Eigenschaft“ gegenübersteht dem „Zustande“. Auf der anderen Seite nennt Aristoteles (praedic. c. qual.) die Gesundheit einen Zustand.
b) Ich antworte, der Zustand sei, wie gesagt, eine gewisse Verfassung in einem Subjekte, das nur im Vermögen steht entweder zur bestimmenden Wesensform oder zur Thätigkeit hin. Soweit also ein Zustand die Richtung auf das Thätigsein einschließt, ist keiner an erster Stelle im Körper als in seinem Träger oder Sitze. Denn eine jede Thätigkeit des Körpers rührt entweder von einer natürlichen Eigenschaft des Körpers her oder von der den Körper in Bewegung und in Thätigkeit setzenden Seele. Die mit der Natur gegebenen Eigenschaften des Körpers nun bedürfen keines Zustandes, der sie für die Thätigkeit vollendete; denn sie verfolgen von Natur immer die eine allseitig bestimmte Richtung, wie Kap. 49, Art. 4. auseinandergesetzt wurde. Geht aber die Thätigkeit des Körpers von der Seele aus, die den Antrieb giebt, so gehört eine solche Thätigkett an erster Stelle der Seele an und erst abhängig von dieser dem Körper. Da nun die Zustände entsprechen der Natur der Thätigkeiten, denn „aus ähnlichen Thätigkeiten werden entsprechende Zustände erzeugt“ (2 Ethic. 2.), so sind solche Zustände an erster Stelle in der Seele; im Körper aber nur an zweiter Stelle, insoweit nämlich der Körper geeigneter gemacht wird, um der Seele zu dienen. Sprechen wir aber von dem Verhältnisse des Subjekts, nicht präcis zur Thätigkeit, sondern zu seiner bestimmenden Form, dann können „Zustände“ auch im Körper sein, der ja zur Seele im Verhältnisse steht wie das bestimmbare Subjekt, wie der Stoff zur bestimmenden Form; und so nennt man die Schönheit, Gesundheit auch „Zustände“. Freilich haben sie nicht den vollkommenen Charakter von Zuständen. Denn die Ursachen derselben sind ihrer Natur nach leicht veränderlich.
c) I. Dieser Einwurf berücksichtigt solche Zustände, welche auf das Thätigsein gerichtet sind; und spricht vom Körper nur, insoweit rein natürliche Kräfte in ihm wirken, und nicht inwieweit er von der Seele aus in Bewegung gefetzt ist, wo doch der Wille das Princip des Thätigseins ist. II. Die körperlichen Verfassungen an sich sind nicht „schwer veränderlich“ auf Grund der Veränderlichkeit der körperlichen Ursachen. Sie können jedoch mit Rücksicht auf etwas Äußerliches „schwer veränderlich“ sein; nämlich im Vergleiche mit einem bestimmten Subjekte oder Träger, weil sie, so lange dieses Subjekt dauert, nicht verlierbar sind; oder im Vergleiche zu anderen „Verfassungen“. Die Eigenschaften der Seele aber sind an sich „schwer veränderlich“ wegen der Dauer des Trägers oder Subjekts. Und deshalb nennt Aristoteles die Gesundheit, insoweit sie schwer verlierbar ist, nicht einfach einen „Zustand“, sondern „wie einen Zustand“. Die Eigenschaften der Seele aber werden einfach „Zustände“ genannt. III. Körperliche Verfassungen, welche in der ersten Gattung der Seinsart „Eigenschaft“ sind, also in der Gattung der Zustände, unterscheiden sich nach einigen darin von den Eigenschaften in der dritten Gattung, daß letztere als im Werden und in der Bewegung begriffen aufgefaßt werden, wonach sie als dem Einflüsse von außen her zugängliche, als „leidende, empfangende“ Eigenfchaften (passibiles qualitates) zu bezeichnen sind. Gelangen aber diese selben Eigenschaften bis zu vollendetem Sein, also gleichsam bis zur Vollendung in ihrer Gattung, dann wären sie in der ersten Gattung, also Zustände. Das mißbilligt aber Simplicius (comm. in praed. qual.). Denn danach wäre das „Warmwerden“ in der dritten Gattung, die „Wärme“ aber in der ersten; wogegen Aristoteles die Wärme als zur dritten Gattung zugehörig bezeichnet. Deshalb sagt Porphurius (l. c.), daß „Leiden“ oder „dem Leiden unterliegende Eigenschaften“ und „Zustand“ oder „Verfassung“ in den Körpern unterschieden sind gemäß dem Mehr und Minder, dem Steigern und Nachlassen. Soweit nämlich etwas die Wärme nur aufnimmt, daß es selber warm wird, und nicht bis zu dem Grade, daß es auch selbst seinerseits warm machen kann; soweit ist da ein Leiden oder Bestimmtwerden, wenn es sich um schnell Vorübergehendes handelt; eine für das Leiden geeignete Eigenschaft aber, wenn Dauerndes in Frage steht. Wird jedoch etwas bis zu dem Grade warm, daß es auch Anderes warm machen kann; so wäre da bereits eine „Verfassung“. Wird dann noch hinzugefügt, daß die Wärme da als eine „schwer veränderliche“ erscheint, so würde dies einen „Zustand“ in der Wärme bedeuten; so daß in diesem Falle immer das eine den gesteigerten Grad rücksichtlich des anderen ausdrückte. Dies mißbilligt jedoch Simplicius ebenfalls. Denn solches Steigern und Nachlassen bedeutet nicht eine Verschiedenheit von seiten der Form selbst, sondern eine Verschiedenheit von seiten des betreffenden Subjekts in der Teilnahme an der Form; und somit ist das keine Begründung für die Verschiedenheit in den Gattungen der „Eigenschaft“, welche immer von verschiedenen bestimmenden Formen abhängig sind. Deshalb muß man anders sagen, daß nämlich die Abmessung selber, wonach entsprechend der Natur die dem Leiden oder dem Einflüsse von außen her unterworfenen Eigenschaften ineinander greifen, den Charakter der „Verfassung“ oder des „Zustandes“ trägt. Vollzieht sich also ein Anderswerden in diesen Eigenschaften selbst, welche sind das Kalte, Warme, Feuchte, Trockene, so tritt als Folge davon eine Änderung in der Gesundheit oder Krankheit ein. An erster Stelle und dem Wesen nach ist da kein Anderswerden gemäß derartigen Zuständen, so daß der betreffende Zustand selber maßgebendes Princip wäre für das Anderswerden.
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