Sechster Artikel. In den Engeln finden sich Zustände.
a) Dies ist: I. Gegen Maximus, den Kommentator des heiligen Dionysius zu 7. coel. hier.: „Es ist nicht zukömmlich vorauszusetzen, daß in den reinen Geistern geistige Tugenden als hinzutretende Eigenschaften sich finden wie in uns, so nämlich, daß etwas da sei, wie in einem davon verschiedenen Subjekte. Alles zum Wesen Hinzutretende, alles Accidens ist da ferne.“ Jeder Zustand aber ist etwas zum Wesen Hinzutretendes, ein Accidens. Also sind in den Engeln keine Zustände. II. Gegen Dionysius 4. de coel. hier.: „Die heiligen inneren Verfassungen der himmlischen Substanzen nehmen über alles Andere erhaben an Gottes Güte teil.“ Immer aber ist das, was kraft des Wesens oder der Substanz jemandem innewohnt, früher und erhabener wie das was nur durch etwas Anderes innewohnt. Also werden die Wesenheiten der Engel durch sich selber und nicht durch etwas Anderes zu ihnen Hinzutretendes vollendet bis zur Gleichförmigkeit mit Gott. Dies scheint auch der Grund für den Ausdruck des heiligen Maximus zu sein; denn er fügt hinzu: „Denn wenn dies nicht wäre, würde ihre Wesenheit nicht in sich selbst bleiben und hätte nicht durch sich selbst vollendet werden können gemäß der gegebenen Möglichkeit.“ III. Gegen Aristoteles (5 Metaph.): „Eine Verfassung ist dem zugehörig, was Ordnung in seinen Teilen hat.“ Die Engel aber sind einfache Substanzen. Also ist bei ihnen weder von Verfassung noch von Zustand die Rede. Auf der anderen Seite schreibt Dionysius (7. coel. hier.): „Die Engel der ersten Hierarchie werden genannt erwärmende und Throne und sind wie ein Ausgießen der Weisheit; nämlich nach dem Namen, der die gottähnlichen Zustände in ihnen offenbar macht.“
b) Ich antworte, daß manche annahmen, in den Engeln seien keine Zustände, sondern was auch immer über sie ausgesagt werde, das finde sich als kraft ihres Wesens ihnen innewohnend ausgesagt. Deshalb fügt Maximus zur genannten Stelle hinzu: „Die Zustände derselben und die Tugenden, die ihnen innewohnen, bestehen da auf Grund ihrer Stofflosigkeit im Wesen selber.“ Und Simplicius (comm. praedic. de qual.): „Die Weisheit, welche in der Seele sich findet, ist ein Zustand; die in der Vernunft aber ist die vernünftige Substanz selber. Denn Alles was göttlich ist, das ist sowohl sich selbst genügend als auch in sich selbst bestehend.“ Diese Annahme ist nach einer Seite hin wahr, nach einer anderen falsch. Denn offenbar ist der Sitz oder das Subjekt eines Zustandes ein Sein, was im Vermögen zu etwas hin sich findet. Weil nun in den Engeln kein Vermögen ist, wie es dem Stoffe zukommt; deshalb schlossen diese Kommentatoren die Zustände und alles zum Wesen Hinzutretende, alles Accidens, von den Engeln aus. Weil aber in den Engeln doch immerhin Vermögen ist (denn reiner Akt zu sein kommt nur Gott zu), deshalb müssen insoweit Zustände in ihnen sich finden. Insofern nun das stoffliche Vermögen und das Vermögen, wie es der Vernunft zukommt, nicht ein und derselben Natur ist, deshalb kommen auch die Zustände auf beiden Seiten nicht im Wesen oder in ihrer Natur miteinander überein. Deshalb sagt Simplicius: „Die Zustände in der rein vernünftigen Substanz sind nicht ähnlich denen hier bei uns; sondern sind ähnlich vielmehr den einfachen und stofflosen Wesenheiten, wie solche die rein vernünftigen Substanzen bilden. Rücksichtlich eines derartigen Zustandes aber verhält sich anders die Vernunft des Engels und anders die des Menschen. Denn da die menschliche Vernunft am tiefsten steht im Vergleiche zu den übrigen Vernunftkräften, so ist sie mit Beziehung auf alles vernünftig Erkennbare im nämlichen reinen Vermögen, wie der Urstoff es ist mit Beziehung auf alle Wesensformen im Rereiche des sinnlich Wahrnehmbaren; und deshalb bedarf sie rücksichtlich jeglicher auf das Einzelne gehenden vernünftigen Kenntnis eines Zustandes. Die Vernunft des Engels aber verhält sich nicht wie reines Vermögen im Bereiche des vernünftig Erkennbaren, sondern wie von Natur aus bereits thatsächliche Kenntnis. Jedoch ist dieses Thatsächliche von Natur aus in der Kenntnis des Engels nicht rein (reine Thatsächlichkeit ist nur Gott), sondern es ist vermischt mit einem gewissen Vermögen, Weiteres zu erkennen; und desto weniger hat diese Vernunft an Vermögen, je höher sie steht. Insoweit also die Vernunft des Engels im Stande des Vermögens sich findet, bedarf sie eines Zustandes, der sie vermittelst einiger Erkenntnisformen oder Ideen vollendet, damit sie nun ihrer Natur gemäß thätig sei. Insoweit aber diese selbe Vernunft von Natur mit thatsächlicher Kenntnis ausgestattet ist, ist sie bereits durch die eigene Natur hinreichend bestimmt, um Manches zu erkennen, zum mindesten sich selbst; und auf Grund dessen dann Anderes nach der Weise ihrer Substanz und zwar desto vollkommener je vollendeter ihre Natur ist. Weil aber kein Engel an die Vollendung Gottes hinanreicht, sondern unendlich davon fern ist, so bedarf ein jeder, um vermittelst der Vernunft und des Willens mit Gott verbunden zu sein, einiger Zustände, weil eben ein jeder von Natur im Stande des Vermögens ist rücksichtlich der reinsten Thatsächlichkeit. Deshalb sagt Dionysius (l. c.), die Zustände in den Engeln seien gottgleichförmig, weil sie dadurch nämlich Gott ähnlich werden. Zustände freilich, die Verfassungen sein sollen zum natürlichen Sein der Engel hin, sind in denselben nicht.
c) I. Maximus spricht da von stofflichen Zuständen und Eigenschaften. II. Dafür, was ihrem Wesen nach den Engeln zukommt, bedürfen sie keines Zustandes. Weil sie aber nicht so Sein haben, daß sie nicht es empfangen müßten durch Mitteilung von seiten der göttlichen Güte und Weisheit, fo bedürfen sie, infoweit sie von außen etwas empfangen, einiger Zustände. III. In den Engeln ist das Wesen allerdings nicht in der Weise zusammengesetzt, daß es Teile hätte, wie das menschliche Wesen sich aus Leib und Seele zusammensetzt; jedoch sind da Teile, insofern das Vermögen in Betracht kommt, denn durch mehrere Erkenntnisformen wird ihre Vernunft vollendet und ihr Wille ist offen nach mehreren Gütern hin.
