Erster Artikel. Der Wille ist ein Sitz der Sünde.
a) Dies ist: I. Gegen Dionysius (4. de div. nom.), der da sagt: „Das übel ist außerhalb der Absicht und außerhalb des Willens.“ Die Sünde aber ist ein Übel. II. Daß der Wille ein wahrhaftes Gut will, ist keine Sünde. Daß er ein Scheingut will, kommt mehr von dem Mangel in der Thätigkeit der Auffassungskraft her, wie vom Mangel im Wollen. Also ist der Wille nicht ein Sitz der Sünde. III. „Die wirkende Ursache und die materiale, bestimmbare, die eben durch die wirkende ihre thatsächliche Bestimmung erhält, fallen nicht in eins zusammen;“ heißt es 2 Physic. Der Wille aber ist die erste wirkende Ursache der Sünde nach Augustin. (de duabus animabus cap. 10. et 11.) Also ist der Wille nicht das bestimmbare Subjekt für die Sünde. Auf der anderen Seite sagt Augustin (1. Retr. 9.): „Vermittelst des Willens lebt man recht und sündigt man.“
b) Ich antworte, die Sünde sei eine gewisse Thätigkeit. Nun haben die Thätigkeiten, welche im außenliegenden Stoffe enden, wie das Sägen, das Brennen, zum Subjekt oder als Sitz worin sie bleiben den Stoff, auf den sie gerichtet sind; wie Aristoteles sagt (3 Physic.): „Die Bewegung ist die Thätigkeit des Beweglichen, insoweit dieselbe vom Bewegenden ausgeht.“ Die Thätigkeiten aber, die im Thätigseienden selber enden und da bleiben, wie das Erkennen, Begehren, wie also der Tugend- oder der Sündenakt, können ihren Sitz oder ihr Subjekt nur haben im Vermögen, welches das Princip des Thätigseins ist. Da nun alle moralischen Thätigkeiten wesentlich vom freien Willen als dem Princip der Thätigkeit ausgehen, so folgt, daß der Wille ihr Sitz oder ihr Subjekt sei; mögen es gute Thätigkeiten sein oder schlechte d. h. Sünden.
c) I. Der Wille strebt nicht nach dem Übel, weil es Übel ist, sondern unter dem Scheine eines Gutes; und danach ist die Sünde im Willen, während sie im ersterwähnten Sinne außerhalb der Absicht sich findet. II. Der Mangel im Thätigsein der Auffassungskraft unterliegt eben dem freien Willen; und von da her stammt es, daß Jenes, was infolge dessen geschieht, Sünde ist. Bei unüberwindbarer Unkenntnis ist keine Sünde vorhanden. III. Dieser Einwurf spricht von den nach einem außenliegenden Stoffe hin gerichteten Thätigkeiten, wo das Vermögen, von dem sie ausgehen, nicht der Sitz oder das Subjekt bleibt, welches diese Thätigkeiten in sich wieder aufnimmt und behält; sondern der Stoff, der außen ist. Das Gegenteil ist beim Willen der Fall.
