Vierter Artikel. Wer aus vorbedachter Bosheit sündigt, dessen Sünde ist schwerer als wenn man aus Leidenschaft sündigt.
a) Die Gründe für die Gegenbehauptung sind folgende: I. Die Unkenntnis entschuldigt rücksichtlich der Sünde entweder ganz oder zum Teil. Größer aber ist die Unkenntnis bei der Bosheitssünde wie bei der aus Leidenschaft. Also ist jene leichter. Denn bei der Bosheit betrifft die Unkenntnis das erste Princip im Moralischen, nämlich den Endzweck. II. Der da aus Bosheit sündigt, hat im Zustande, infolge dessen er sündigt, einen gewaltigeren Antrieb, wie jener, der nur aus Leidenschaft sündigt. Wer aber stärker angetrieben wird zur Sünde, dessen Sünde ist leichter. III. Weraus Bosheit sündigt oder aus Leidenschaft, wählt immer gleichermaßen das Böse. Also ist die entsprechende Sünde auf beiden Seiten gleich. Auf der anderen Seite heißt es bei Job 34.: „Wie Gottlose hat Er (Gott) sie niedergestreckt am Orte derer, die schauten; jene, die da aus Vorbedacht sich entfernten von Ihm.“ Also die aus Vorbedacht oder aus Bosheit sündigen, verdienen schwerere Strafe und somit ist ihre Sünde größer.
b) Ich antworte, die Sünde aus Bosheit sei schwerer wie die aus Leidenschaft aus drei Gründen: 1. Die Sünde besteht an erster leitender Stelle im Willensakte. Die Sünde aus Bosheit aber entspricht mehr der Natur des Willens und ist ihm mehr eigen; denn da neigt der Wille von sich selbst aus zum Bösen hin, während der Antrieb der Leidenschaft gleichsam von außen kommt, so weit es das Willensvermögen als solches betrifft. Der Charakter der Sünde findet sich also mehr in der Bosheitssünde; und weniger in der Leidenschaftssünde. 2. Wann die Leidenschaft den Willen hinneigt zur Sünde, so geht das schnell vorüber; und so kehrt der Mensch in Reue schnell zurück zum Guten. Der Zustand aber, infolge dessen der Mensch aus Bosheit sündigt, ist als Zustand eine dauernde Eigenschaft und also dauert diese Sünde länger. Deshalb vergleicht Aristoteles(7 Ethic. 9.) den Unmäßigen, der aus Bosheit sündigt, einem beständig Kranken; den Unmäßigen aber, den Leidenschaft antreibt, einem mit Abwechslung Kranken. 3. Wer aus Bosheit sündigt, ist in schlechter Verfassung mit Rücksicht auf den Zweck selber, der das Princip ist im Bereiche des Thätigseins; und so ist dessen Sünde gefahrvoller wie die desjenigen, der aus Leidenschaft sündigt, dessen Vorsatz also immer auf den Zweck gerichtet bleibt, wenn auch dieser Vorsatz infolge der Leidenschaft hie und da eine Unterbrechung leidet. Immer aber ist ein Mangel mit Rücksicht auf das Princip im höchsten Grade schlecht.
c) I. Jene Unkenntnis ist gewollt; also entschuldigt sie nicht und mindert nicht die Sünde.(Kap. 76, Art. 4.) II. Der Antrieb von seiten der Leidenschaft ist gleichsam äußerlich auf den Willen; durch den Zustand aber wird er von sich selbst aus, vom eigenen Innern zum Bösen hingeneigt. III. Etwas Anderes ist es, daß einer, der die Wahl hat, sündigt; und etwas Anderes, daß man kraft und auf Grund der Wahl sündigt. Wer nämlich auf Grund der Leidenschaft sündigt, der sündigt zwar, indem er wählt; aber er sündigt nicht auf Grund der Wahl. Denn das Auswählen ist in ihm nicht das erste Princip der Sünde, sondern durch die Leidenschaft läßt er sich leiten, daß er so wählt. Wer aber aus Bosheit sündigt, der wählt an und für sich das Übel, weil es Übel ist, um ein Gut zu erhalten, wie Art. 2 und 3 gesagt worden; und deshalb ist die Wahl, die in seinem Willen ist, das Princip der Sünde; und so sündigt er auf Grund der Wahl.
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