Zweiter Artikel. Alles was an Thätigkeit in der Sünde ist, also die Thatsächlichkett der Sünde, hat Gott zur Ursache.
a) Dagegen sagt: I. Augustin (de perf. justit. 11.): „Der Sündenakt ist keine Sache.“ Alles aber, was Gott verursacht, ist etwas, ist eine Sache. Also ist das Thatsächliche in der Sünde, ihr Akt, nicht von Gott. II. Der Mensch ist nur deshalb Ursache der Sünde, weil deren Akt, also deren Thatsächlichkeit, in ihm ihre Ursache hat. Denn „wegen des Übels an sich wirkt niemand.“ (4. de div. nom.) Gott aber ist nicht Ursache der Sünde. Also ist Er es auch nicht vom Thatsächlichen in selbiger. III. Einige Thätigkeiten sind ihrer Gattung nach schlecht oder sündhaft nach Kap. 18, Art. 2 u. 8. Was aber die Ursache von etwas ist, das ist vor Allem Ursache von dessen innerem Gattungswesen. Verursacht also Gott das Thatsächliche, den Akt in der Sünde, so verursacht Er deren Wesen und somit die Sünde. Auf der anderen Seite ist das Thatsächliche in der Sünde eine Bewegung des freien Willens. „Der Wille Gottes aber ist die Ursache aller Bewegungen“, nach Augustin. (3. de Trin. 4. et 9.)
b)Ich antworte, der Akt der Sünde sei ein Sein und dann etwas Thatsächliches. Alles Sein aber, wie auch immer es sei, muß sich ableiten vom Ursein. Und ebenso wird alles Thatsächliche verursacht von einem, der thatsächliches Sein hat; denn nichts wirkt, außer insoweit es thatsächlich besteht. Alles was ist wird aber zurückgeführt auf das erste Thatsächliche, auf Gott, wie in seine Ursache; da Gott seinem Wesen nach Thatsächlichkeit ist. Also muß Gott von allem Thatsächlichen, soweit es thatsächlich besteht, die Ursache sein. Die Sünde nun besagt wohl ein Sein und eine Thätigkeit; jedoch verbunden mit einem gewissen Mangel. Jener Mangel aber rührt von der geschaffenen Ursache her, insoweit sie abweicht von der Ordnung des Urthatsächlichen, nämlich Gottes. Dieser Mangel also wird nicht auf Gott als auf die Ursache zurückgeführt, sondern auf den freien Willen. So kommt der Mangel des Hinkens von der Krummheit des Beines; was aber an Gehkraft im selben Hinken sich findet, das kommt von der bewegenden Kraft im Menschen, welche das Hinken als einen Mangel nicht verursacht. Und danach also ist Gott die Ursache des Thatsächlichen, also des Aktes in der Sünde; nicht aber ist Er Ursache der Sünde, nämlich dessen, was in diesem Akte an Mangel ist.
c)I. Augustin bezeichnet hier mit „Sache“ das, was schlechthin eine Sache ist, nämlich die Substanz; und danach ist die Sünde keine Sache. II. Auf den Menschen wird zurückgeführt das Thatsächliche als auf die zweite Ursache und auch zugleich der Mangel in der Sünde. Denn der Mensch unterwirft sich in der Sünde nicht Gott, wie er müßte, wenn er auch darauf nicht seine Absicht richtet an erster Stelle; und deshalb ist der Mensch Ursache der Sünde. Gott aber ist so Ursache alles Thatsächlichen in der Sünde, daß Er in keiner Weise den Mangel in selbiger verursacht, der die Sünde begleitet; und so ist Er nicht deren Ursache. III, Die Thätigkeiten und Zustände erhalten nicht ihre Gattung aus dem Mangel selber, worin die Natur des Übels besteht (Kap. 72, Art. 1), sondern von einem Gegenstande her, mit welchem der Mangel verbunden ist. Und so gehört der Mangel in der Sünde, wovon Gott nicht die Ursache ist, zur Gattung des Sündenaktes als etwas diesem Folgendes; und nicht wie der wesentliche Unterscheidungsgrund.
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