Vierter Artikel. Die begehrenden Vermögen, welche der Zeugung dienen, sind in höherem Grade angesteckt.
a) Dagegen spricht: I. Die Vermögen, die früher angesteckt sind, müssen es auch in höherem Grade sein. Das sind aber die Vermögen des vernünftigen Teiles. II. Keine Seelenkraft wird angesteckt, die nicht der Vernunft gehorchen kann. Das vermag aber nicht das Zeugungsvermögen, nach 1 Ethic. ult. III. Die Sehkraft ist geistiger wie alle anderen Sinne und steht der Vernunft näher. Also ist sie mehr angesteckt, wie der Tastsinn; da die Ansteckung vom vernünftigen Teile her beginnt. Auf der anderen Seite sagt Augustin (14. de civ. Dei 16. etc.): „Die Ansteckung, welche von der Erbschuld ausgeht, erscheint im höchsten Grade in der Bewegung der geschlechtlichen Glieder, die der Vernunft nicht folgt.“ Also ist die Ansteckung der Erbsünde am meisten zu sehen im Zeugungsvermögen, in der Begehrkraft und im Tastsinne; denn der Tastsinn nährt am meisten die Begierlichkeit.
b) Ich antworte; jenes Verderbnis wird als ansteckend bezeichnet, das von Natur aus geeignet ist, auf Anderes übertragen zu werden; deshalb werden der Aussatz, die Pest etc. als Ansteckungskrankheiten bezeichnet. Das Verderbnis aber der Erbsünde wird übertragen durch den Akt der Zeugung. Also werden jene Vermögen, die diesem Akte dienen als am meisten angesteckt bezeichnet. Diesem Akte aber dient das Zeugungsvermögen. Dieses schließt in sich ein das Ergötzen des Tastsinnes, den bedeutendsten Gegenstande der Begehrkraft. Und deshalb werden diese drei Kräfte als am meisten angesteckt bezeichnet.
c) I. Von seiten der Übertragung in den Sprößling gehört die Erbsünde am nächsten diesen drei Kräften an; dem Willen nur entfernterweise. II. Die Ansteckung der persönlichen aktuellen Schuld gehört nur jenen Vermögen an, die vom Willen aus in Bewegung gesetzt werden. Die Ansteckung, die von der Erbschuld ausgeht, leitet sich nicht vom Willen dessen ab, der sie empfängt; sondern von dem Ursprünge der Natur, welcher die Zeugungskraft dient; deshalb hat diese den größten Anteil an der Ansteckung. III. Die Sehkraft zeigt nur die Gestalt des ergötzenden, baren Gegenstandes; sie gehört also nur entfernt zur Erzeugung. Das Ergötzen vollendet sich im Gefühle und somit ist dieses mehr angesteckt wie das Sehen.
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