Dritter Artikel. Zuerst unter den Vermögen steckt die Erbsünde den Willen an.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Jede Sünde gehört hauptsächlich jenem Vermögen an, durch dessen Thätigkeit sie verursacht wird. Die Erbsünde aber wird verursacht durch die Zeugungskraft. Also zuerst unter den Vermögen steckt sie die Zeugungskraft an. II. Der Same trägt die Erbsünde über. Dem fleischlichen Samen aber stehen näher andere Vermögen wie z. B. die sinnlichen; und nicht in erster Linie der Wille. Also werden die Sinnesvermögen zuerst angesteckt. III. Die Vernunft ist früher wie der Wille, der ja zum Gegenstande hat das von der Vernunft aufgefaßte Gute. Also ist die Vernunft früher von der Erbsünde angesteckt wie der Wille. Auf der anderen Seite ist die Urgerechtigkeit die Geradheit des Willens, nach Anselmus. (De conceptu virg. c. 3.) Also berücksichtigt die Urgerechtigkeit unter den Vermögen zuerst den Willen; und somit ist dies auch beim Gegensatze derselben, der Erbsünde, der Fall.
b) Ich antworte, bei der Ansteckung, die von der Erbsünde ausgeht, sei zweierlei zu erwägen: 1. Das Anhaften am Subjekte; und danach berücksichtigt die Erbsünde zuerst das Wesen der Seele; — 2. die Hinneigung zum Thätigsein; und danach berücksichtigt sie die Vermögen der Seele. Die erste Hinneigung zum Thätigsein nun kommt dem Willen zu, der alle anderen Vermögen in Thätigkeit und Bewegung setzt. Also berücksichtigt auch die Erbsünde, insofern sie Neigung ist zum sündigen Handeln, zuerst den Willen.
c) I. Die Erbsünde wird nicht verursacht im Menschen durch das Zeugungsvermögen des Sprößlings, sondern durch das des Zeugenden. Also ist nicht erforderlich, daß die Zeugungskraft im Sprößling das erste Subjekt der Erbsünde ist. Es ist dies vielmehr das Wesen oder die Gattungsnatur des Menschen als erster unmittelbarer Abschluß der Zeugungsthätigkeit. II. Die Erbsünde geht einmal vom Fleische zur Seele; und dann von der Seele zu den Vermögen. Das erste Vorangehen ist gemäß der Ordnung des Entstehens; das zweite ist nach der Ordnung der Vollendung oder der Absicht. Und deshalb ist der Wille, der an Würde dem Wesen der Seele am nächsten steht als das höhere Vermögen zuerst angesteckt; mögen auch andere Vermögen, die sinnlichen, dem Fleische näher stehen. III. Die Vernunft geht dem Willen vorher, insofern sie den Gegend stand vorlegt. Der Wille geht als bewegende Kraft, worauf es hier bei der Sünde ankommt, der Vernunft vorher.
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