Erster Artikel. Die Strafe ist die Wirkung der Sünde.
a) Dem steht entgegen: I. Was nebenbei und unabsichtlich zu etwas hinzutritt, das hat nicht den Charakter einer Wirkung davon. Die Strafe aber ist nicht beabsichtigt vom Sünder. Also ist sie keine Wirkung der Sünde. II. Die Strafe ist gut, da sie gerecht ist und von Gott. Sie kann also nicht in etwas Schlechtem, in der Sünde, ihre Ursache haben. III. Augustin (1. Conf. 12.) sagt: „Jeder ungeregelte Geist ist sich selber Strafe.“ Eine Strafe aber verdient nicht eine andere; denn das wäre Strafe ohne Ende. Auf der anderen Seite heißt es Röm. 2.: „Trübsal und Angst für jede Seele, die Böses thut.“
b) Ich antworte, von den Dingen in der Natur können wir bezüglich der menschlichen Handlungen lernen, daß das, was gegen ein anderes Wesen sich erhebt, von diesem irgend welchen Schaden erleidet. Denn wir sehen da in der Natur, daß das eine von den Dingen heftiger einwirkt, wenn das ihm entgegengesetzte hinzutritt; wie „erwärmtes Wasser heftiger zusammenfriert.“ (1. Meteor. 12.) Deshalb können wir dies auch bei den Menschen beobachten, daß ein jeder zurückstößt jenen, der gegen ihn selber sich erhebt. Offenbar aber sind die Dinge, die insgesamt zu ein und derselben Seinsordnung gehören, gewissermaßen eine Einheit mit Bezug auf das Princip dieser Seinsordnung. Was also gegen ein Glied in dieser Seinsordnung angeht, das muß von dieser Seinsordnung und vom Princip derselben zurückgedrängt werden. Da nun die Sünde ein ungeordneter Akt ist, so wirkt jeder, der sündigt, gegen irgend eine Ordnung im Sein; und folgerichtig muß er von dieser Ordnung zurückgewiesen werden, welche Zurückstoßung eben Strafe ist. Danach kann also der Mensch gemäß den drei Ordnungen, denen der Wille unterworfen ist, dreifach bestraft werden. Denn 1. ist der menschliche Wille unterworfen der Ordnung der eigenen Vernunft; 2. der Ordnung dessen, der außen regiert, entweder in den geistlichen Dingen oder in den zeitlichen, und bei den letzteren entweder im Staate oder in der Gemeinde; und 3. der Ordnung der göttlichen Weltregierung. Wer aber sündigt, der verwirrt diese dreifache Ordnung der Vernunft, des menschlichen Gesetzes und des göttlichen. Danach besteht somit die dreifache Strafe: 1. der Gewissensbiß; 2. die Strafe von seiten der Menschen; 3. die von seiten Gottes.
c) I. Die Strafe folgt der Sünde auf Grund der Regellosigkeit in der Sünde. Wie also das Übel, unabsichtlich vom Sünder aus, in der Sünde ist; so auch die Strafe. II. Die Strafe selber ist nicht direkt von der Sünde, sondern die Sünde bereitet dazu vor und verdient die Strafe. „Bestraft werden ist kein Übel,“ heißt es 4. de div. nom., „sondern es ist ein Übel, die Strafe verdienen.“ III. Eine dreifache Ordnung verletzt der Sünder; nicht bloß die der eigenen Vernunft.
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