Vierter Artikel. Die Einteilung der menschlichen Gesetze.
a) Isidorus teilt unzulässigerweise die menschlichen Gesetze ein. (5 Etymol. c. 6.) Denn: I. Er macht zu einer Unterabteilung des menschlichen Rechtes das „Völkerrecht“ jus gentium, was so genannt wird, wie er selbst sagt, „weil sich dessen beinahe alle Völker bedienen.“ „Das Naturrecht aber,“ so wieder er selbst, „ist gemeinsam allen Nationen.“ Also ist das Völkerrecht keine Unterabteilung des positiven; sondern gehört zum Naturrechte. II. „Gesetze, Volksbeschlüsse, Senatsbeschlüsse etc., die er da aufstellt, haben alle insgesamt dieselbe Kraft. Also ist ihr Unterschied nur ein materialer, nämlich je nachdem verschiedene Körperschaften in Frage kommen; und kein formaler. Somit bilden sie keine selbständigen Abteilungen des menschlichen Rechts. III. In einem Staate sind nicht nur Soldaten, Priester und Obrigkeiten; sondern auch andere Klassen. Also mußte nicht bloß ein Militärrecht und ein öffentliches Recht (für die beiden anderen Stände) angenommen werden, sondern auch ein eigenes Recht für jeden anderen Stand. IV. Dies ist für ein Gesetz ganz zufällig und äußerlich, daß es von dem oder jenem erlassen worden ist. Also muß man nicht danach die Gesetze unterscheiden und von einer Iex Cornelia etc. (code Napoleon) sprechen. Auf der anderen Seite genügt die Autorität Isidors (l. c.)
b) Ich antworte; Jegliches wird eingeteilt nach dem in seinem Wesen Enthaltenen; wie im Wesen des Sinnbegabten die Seele enthalten ist, die entweder vernünftig sein kann oder vernunftlos, und sonach das Sinnbegabte eingeteilt wird in das „vernünftige“ und „vernunftlose“, nicht aber gemäß der schwarzen und weißen Farbe, da dies außerhalb des Wesens „sinnbegabt“ steht. Zum Wesen des Gesetzes gehören aber eine Anzahl Elemente; und nach jedem derselben kann man die Richtschnur nehmen für die Einteilung des menschlichen Gesetzes. 1. Zum Wesen des menschlichen Gesetzes gehört es nämlich, daß es sich ableitet vom Naturgesetze; und danach wird eingeteilt das positive Recht 1. in das Völkerrecht, und 2. in das bürgerliche Recht. Denn zum Völkerrechte gehört, was von dem natürlichen Rechte ausgeht wie Schlußfolgerungen von Principien; wie z.B. Gerechtigkeit beim Ein- und Verkauf und ähnliche Dinge, ohne welche die Menschen nicht harmonisch miteinander leben können. Letzteres jedoch kommt vom Naturgesetze, wonach seiner Natur nach der Mensch auf die Gemeinschaft mit anderen Menschen angewiesen ist. (1 Polit. 2.) Was aber vom Naturgesetze ausgeht, wie bestimmte Anwendungen der allgemeinen Principien auf einzelne Fälle das gehört zum bürgerlichen Rechte; wonach jedes politische Gemeinwesen in besonderer Weise die allgemeinen Principien auf seine besonderen Verhältnisse anwendet. 2. Das Gesetz hat seiner Natur nach Beziehung zum Gemeinbesten; und danach wird es eingeteilt gemäß der verschiedenen Lage jener, die in besonderer Weise für das Gemeinbeste sich abmühen; — wie die Priester, die für das Volk zu Gott beten; die obrigkeitlichen Personen, welche das Volk regieren; und die SoIdaten, die für das Volk kämpfen. Für diese bestehen deshalb specielle Abteilungen des Gesetzes. 3. Zum Wesen des Gesetzes gehört es, daß es aufgestellt wird vom Leiter des Gemeinwesens; und letzteres richtet sich dann nach den verschiedenen Arten von Staatsgewalten. Die eine davon ist die Königsherrschaft, wenn der Staat von Einem geleitet wird; und demgemäß sind die Satzungen der Fürsten. Dann ist die Aristokratie, wenn nämlich die Vornehmsten regieren; und danach sind die responsa prudentum und die Senatsbeschlüsse. Ferner ist eine andere Art Staatsgewalt die Oligarchie, nämlich die Herrschaft von wenigen Reichen und Mächtigen; danach giebt es ein Ehrenrecht oder jus praetorium. Wieder eine andere Art Regierung ist die Demokratie oder die des Volkes; wonach den Namen haben die Volksbeschlüsse. Noch eine andere Art ist die tyrannische Gewalt; doch die ist die verdorbenste und deshalb wird nach ihr kein Gesetz benannt. Endlich besteht noch eine Gewalt, die aus allen diesen zusammengesetzt ist; dies ist die beste; und danach wird genommen „das Gesetz, welches die Vornehmen und Alteren zugleich mit dem Volke aufstellen.“ (5 Etymol. 10.) 4) Das Gesetz ist seinem Wesen nach die Richtschnur der menschlichen Thätigkeiten. Danach werden wieder andere Gesetze unterschieden, welche bisweilen nach ihren Urhebern benannt sind; wie z. B. lex Julia über den Ehebruch, die Iex Cornelia über die Meuchelmörder u .s. w. Nicht um der Urheber willen werden diese als specielle unterschieden, sondern um der Sachen willen, die sie behandeln.
c) I. Das Völkerrecht ist allerdings gewissermaßen dem Menschen natürlich, insoweit dieser vernünftig ist und insoweit es vom Naturgesetze abgeleitet wird in der Weise einer Schlußfolgerung, die nicht weit von den Grundprincipien entfernt ist, so daß die Menschen leicht darin übereingekommen sind. Es wird jedoch vom Naturgesetze unterschieden, zumal insofern dieses allen sinnbegabten Wesen Gemeinsames enthält; wie die Verpflichtung zu Speise und Trank, die Erhaltung des Lebens etc. II. III. IV. sind oben beantwortet.
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