Dritter Artikel. Die Eigenschaften des positiven Gesetzes.
a) Isidorus giebt diese Eigenschaften falsch an; wenn er sagt (5 Etymol. 21.): „Das Gesetz wird sein ehrbar, gerecht, möglich zu erfüllen, gemäß der Natur, gemäß der Gewohnheit des Vaterlandes, entsprechend den Zeit- und Ortsverhältnissen, notwendig, nützlich, offenbar auch, daß es für niemanden dunkel und deshalb gefährlich ist, nicht dem Privatvorteil dienend, sondern für das Beste der Bürger erlassen.“ Denn: I. Vorher c. 2 hatte er drei Bedingungen angegeben: „Das Gesetz soll nur allein auf die gesunde Vernunft Rücksicht nehmen, der Religion entsprechen, der Erziehung und dem öffentlichen Besten dienen.“ Also sind alle übrigen Eigenschaften überflüssig. II. „Die Gerechtigkeit ist ein Teil der Ehrbarkeit“ sagt Cicero (I. de offic. tit. de 4 virtutibus). Also ist es überflüssig nach „ehrbar“ zu sagen „gerecht“. III. Das geschriebene Gesetz ist nach Isidor selbst (2 Etym. 10.) ein anderes wie das Gewohnheitsgesetz. Also mußte letzteres oben fortfallen. IV. Es giebt eine Notwendigkeit, gemäß der sich etwas unmöglich anders verhalten kann wie es ist; und eine solche Notwendigkeit unterliegt nicht dem menschlichen Gesetze. Die andere Notwendigkeit wird nach dem vorgesetzten Zwecke bemessen; ist also dasselbe wie „nützlich“; und somit ist dies unnütz oben, zu sagen „nützlich“ und „notwendig“. Auf der anderen Seite steht die Autorität Isidors.
b) Ich antworte, die innere bildende Form eines jeden Wesens müsse gemäß dem Verhalten zum Zwecke bestimmt werden; wie z. B. die Form der Säge eine solche ist, wie sie dem Sägen zukommt. Andererseits muß zudem jedes Ding, das einer Regel und einem Maßstabe entspricht, eine Form haben, die im gebührenden Verhältnisse steht zu ihrer Regel und zum Maßstabe. Beides nun hat das menschliche Gesetz. Denn es ist 1. etwas zum Zwecke Hingeordnetes und es ist 2. eine gewisse Regel und Richtschnur, die geregelt und gemessen ist nach einer höheren Richtschnur; nämlich nach dem göttlichen und dem Naturgesetze. Der Zweck des menschlichen Gesetzes nun ist der Nutzen für das menschliche Leben, nach lib. 25. ff. tit. 3. de leg. et Senatusc. Deshalb giebt Isidor in der einen Bestimmung des Gesetzes drei Eigenschaften: 1. „es muß der Religion“, nämlich dem göttlichen Gesetze „entsprechen“; — 2. „es muß der Erziehung, dem Unterrichte dienen“, nämlich gleichförmig sein mit dem Naturgesetze; — 3) „es muß dem Besten der Bürger nützen“, nämlich auf seinen nächsten Zweck gerichtet sein. Auf diese drei Eigenschaften lassen sich die anderen zurückführen. Denn „ehrbar“ bezieht sich auf die Religion. Das „gerecht, möglich, natur- und gewohnheitsgemäß, Zeit und Ort entsprechend“ bezieht sich auf den Unterricht und die Erziehung. Der menschliche Unterricht nämlich muß zuerst vernunftgemäß sein, was ausgedrückt ist durch „gerecht“. Dann muß er den Kräften und Talenten entsprechen, also „die Möglichkeit“ bieten, nach jeder Richtung hin recht aufgefaßt zu werden; nicht dasselbe legt man den Kindern auf, was den Erwachsenen. Er muß endlich „angemessen sein der Gesellschaft“ oder Gemeinschaft, welcher der einzelne Mensch angehört; denn der einzelne lebt nicht allein für sich, er muß sich den Sitten der anderen anbequemen. Ebenso muß der Unterricht oder die Erziehung unter den gebührenden Umständen von Zeit und Ort vor sich gehen. Endlich giebt Isidor an: „notwendig, nützlich“ etc., was Alles sich auf das Wohl der Menschen bezieht, dem das Gesetz zu dienen hat. Die „Notwendigkeit“ bezieht sich auf die Entfernung der Übel; der „Nutzen“ auf die Erreichung des Guten; das „Offenbarsein“ auf den Schaden, den eine falsche Auslegung des Gesetzes verursachen kann. Und daß das Gesetz dem Gemeinbesten förderlich sein soll, geht aus dem letzten Teile der Angabe Isidors hervor.
c) Damit sind die Einwürfe erledigt.
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