Erster Artikel. Der innere maßgebende Grund dieser Vorschriften besteht darin, daß sie zum Kulte Gottes gehören.
a) Dem steht entgegen: I. Im Alten Gesetze werden nach Lev. 11. Vorschriften gegeben über die Enthaltsamkeit von Speisen; nach Lev. 19,19. über die Enthaltsamkeit von gewissen Kleidern oder über das Anfertigen derselben nach Num. 15, 38. Das sind aber keine Moralvorschriften, denn sie bleiben nicht im Neuen Bunde; es sind keine richterlichen Vorschriften, denn sie haben mit einem Urteile gegenüber den Menschen nichts zu thun. Also sind es Ceremonialvorschriften, die nicht den Kult Gottes angehen. II. Manche meinen, die Ceremonialvorschriften werden so genannt, weil sie sich auf die großen Feierlichkeiten bezogen, bei denen cerei, Kerzen, angezündet worden. Vieles Andere aber gehört zum Kulte Gottes als die Feierlichkeiten. III. Andere meinen, diese Vorschriften werden von den Ceremonien her genannt, weil Cere — χαῖρε ist, nämlich weil sie Vorschriften des Heiles gewesen. Dies waren aber alle Vorschriften im Alten Bunde; und nicht bloß die auf den göttlichen Kult bezüglichen. IV. Rabbi Moses (in lib. Dux errant. cap. 27 et 28) sagt: „Ceremonialvorschriften würden genannt solche, deren Grund nicht offenbar vorläge.“ Das ist aber bei vielen Vorschriften der Fall. Und hinwiederum haben viele Ceremonialvorschriften einen offenbaren Grund, wie die Sabbathsruhe, die Osterfeier etc. Auf der anderen Seite heißt es Exod. 18, 19.: „Sei dem Volke behilflich in dem, was sich auf Gott bezieht…. und zeige dem Volke die Ceremonien und den Ritus in der Gottesverehrung.“
b) Ich antworte, daß die Ceremonialvorschriften nähere Bestimmungen sind zu den Moralgesetzen mit Beziehung auf Gott, während die richterlichen Vorschriften dies sind mit Beziehung auf die Mitmenschen. Zu Gott aber wird der Mensch bezogen durch den gebührenden Kult. Also ist der innere maßgebende Grund der Ceremonialvorschriften recht eigentlich der Kult Gottes.
c) I. Nicht nur Opfer und Sakramente und Ähnliches sind inbegriffen im Kulte Gottes, sondern auch die Vorbereitung derer, die Gott verehren, zu dessen Kult; wie ja auch überall sonst die nämliche Wissenschaft auf den betreffenden Zweck geht und auf die Vorbereitung dazu oder das Zweckdienliche. Dergleichen Vorschriften aber wie die über Kleider und Speisen sind vorbereitende Vorschriften für die Diener im Heiligtume, damit sie geeignet seien für den Dienst oder Kult Gottes; wie ja auch dies statthat bei den Dienern am Hofe eines Königs. II. Diese Erklärung des Namens ist wenig zulässig; denn wir finden nicht, daß bei den Festlichkeiten Wachskerzen angezündet wurden. Vielmehr wurden im Leuchter selber Lampen mit Olivenöl vorbereitet, Lev. 24. Jedoch werden auch so in der Beobachtung der Feierlichkeiten alle Ceremonien eingeschlossen. III. Der Name „Ceremonie“ ist lateinisch, nicht griechisch. Jedoch auch so sind die Ceremonialvorschriften im besonderen Grade Heilsvorschriften, weil sie sich auf Gott beziehen. IV. Dieser Grund für die Ceremonialvorschriften ist einigermaßen wahrscheinlich; nicht als ob sie deshalb so genannt würden, weil ihr Grund nicht offenbar gewesen wäre, sondern dies ist eine Folge davon daß diese Vorschriften figürlich sein mußten und somit ihr Grund nicht offenbar vorlag.
