Vierter Artikel. Der Glaube kann in dem einen größer sein wie im anderen.
a) Das wird geleugnet. Denn: I. Der Umfang eines Zustandes hängt ab vom Gegenstande. Wer aber Glauben hat, nimmt Alles an, was der Glaube vorstellt. Also ist da von Mehr und Minder nicht die Rede. II. Was bereits auf der höchsten Stufe steht, läßt kein Mehr und Minder zu. Der Wesenscharakter des Glaubens aber nimmt die höchste Stufe ein; denn der Gläubige hängt der ersten Wahrheit an. Also ist da kein Mehr und Minder. III. Der Glaube verhält sich in der übernatürlichen Erkenntnis wie das Verständnis der Grundprincipien in der natürlichen. Letzteres aber findet sich in allen gleichermaßen. Auf der anderen Seite heißt es Matth. 14.: „Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?“ und Matth. 15.: „Weib! groß ist dein Glaube.“
b) Ich antworte, soweit der Gegenstand des Glaubens in Betracht kommt, ist der Glaube ganz gleichmäßig mit Rücksicht auf den formalen Grund; denn dieser ist die durchaus einfache erste Wahrheit; — mit Rücksicht aber auf die materialen Glaubenspunkte kann der eine mehrere ausdrücklicherweise kennen wie der andere; und so kann demgemäß in dem einen der Glaube größer sein wie im anderen. Wird jedoch der Anteil am Glauben seitens der gläubigen Person erwogen, so kann da der Glaube größer sein im einen wie im anderen, 1. weil der eine fester und mit mehr Zuverlässigkeit demselben in seiner Vernunft anhängt; 2. weil er im Willen größere Bereitwilligkeit hat oder mehr Zuversicht oder mehr Andacht.
c) I. Jener, der hartnäckig es zurückweist, einen Glaubensartikel anzunehmen, hat nicht den Zustand des Glaubens; welchen indessen jener andere hat, der nicht ausdrücklicherweise Alles glaubt, jedoch bereit ist, Alles zu glauben. Und nach dieser Seite kann jemand mehrere Glaubenspunkte in ausdrücklicherer Weise wissen wie der andere. II. Zum Wesen des Glaubens gehört es, daß die erste Wahrheit Allem voransteht. Jedoch kann der eine mit mehr Bereitwilligkeit sich ihr unterwerfen wie der andere. III. Das Verständnis der natürlichen Grundprincipien folgt der menschlichen Natur selbst und deshalb ist es gleichmäßig in allen. Der Glaube aber folgt dem Geschenke der Gnade, das nicht gleichmäßig in allen ist. (Vgl. I, II. Kap. 112, Art. 4.) Trotzdem durchdringt auch beim ersteren derjenige tiefer die Principien, dessen Vernunft eine fähigere ist.
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