Erster Artikel. In den Gegenständen der heiligen Liebe besteht eine gewisse Stufenfolge oder Ordnung.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. In keiner anderen Tugend wird eine solche Ordnung aufgestellt. Die Liebe aber ist eine Tugend. II. In der Liebe ist Gegenstand die höchste Güte; im Glauben die erste Wahrheit. Im Glauben aber wird Alles gleichermaßen geglaubt. Also ist es auch so in der Liebe. III. Die Liebe ist im Willen. Ordnen aber ist Sache der Vernunft. Auf der anderen Seite heißt es Kant. 2.: „Er hat mich in die Weinkammer geführt; Er hat geregelt oder geordnet in mir die heilige Liebe.“
b) Ich antworte, ein Vorher und Nachher werde ausgesagt mit Rücksicht auf ein Erstes, also auf ein Princip. Jede Ordnung oder Stufenfolge aber schließt in sich ein Vorher und Nachher ein. Wo also ein Erstes ist, da findet sich auch Ordnung. Nun ist Gott das Princip oder jenes Erste, in dessen Mitteilung die Seligkeit begründet erscheint. Also unter und kraft der Beziehung auf Gott findet sich in der heiligen Liebe eine Ordnung oder Stufenfolge.
c) I. Die heilige Liebe richtet sich auf den letzten Endzweck unter dem Gesichtspunkte des letzten Endzweckes, was bei den anderen Tugenden nicht der Fall ist. Der Zweck aber besitzt im Bereiche des Erstrebbaren und des Thätigseins den Charakter des Princips; und so kommt es in erster Linie der Liebe zu, auf das erste Princip bezogen zu werden. Die Ordnung aber wird im höchsten Grade erwogen eben gemäß der Beziehung zum ersten Princip. II. Der Glaube gehört der Erkenntniskraft an, wonach das Erkannte im erkennenden ist. Die Liebe aber ist im begehrenden Teile; und ihr Thätigsein besteht deshalb darin, daß die Seele zu den Dingen, wie sie außen bestehen, hinstrebt. Die Ordnung aber ist in erster Linie in den Dingen; und erst von da her kommt sie in unsere Vernunft. Also gehört die Ordnung in erster Linie der Liebe an. Aber auch der Glaube hat zum leitenden Gegenstande Gott; und zum untergeordneten Gegenstande das, was sich auf Gott bezieht. Also ist da ebenfalls eine gewisse Ordnung. III. Die Ordnung gehört der Vernunft an als der ordnenden Kraft, dem Begehren als der geordneten Kraft; und so kommt der Liebe die Ordnung zu.
