Erster Artikel. Die Spaltung ist eine eigene besondere Sünde.
a) Dies wird bestritten: I. Alle Sünde macht eine Spaltung, nach Isai. 59.: „Euere Sünden haben geschieden zwischen euch und Gott.“ II. Jene werden Schismatiker genannt, die der Kirche nicht gehorchen. Jede Sünde aber ist ein solcher Ungehorsam. III., Die Häresie trennt den Menschen von der Einheit des Glaubens. Will also der Ausdruck „Spaltung“, „Schisma“ eine Trennung besagen, so bezeichnet er nichts Anderes wie Häresie. Auf der anderen Seite unterscheidet Augustin (20. cont. Faust. 3.) zwischen Spaltung und Häresie, indem er sagt: „Spaltung will sagen, daß derjenige, welcher die nämliche Lehre festhält und den nämlichen Ritus wie die übrigen, nur an der Zerreißung der Gemeinschaft sich ergötzt; die Häresie aber nimmt eine andere Meinung an wie die katholische Kirche.“ Also ist das Schisma eine besondere Sünde.
b) Ich antworte, wie Isidor in den Etymologien (lib. 8, cap. 3.) sagt, komme der Ausdruck „Spaltung“ von „Spalten“, „Trennen“; nämlich von der Trennung der Seelen; und somit ist die Spaltung entgegengesetzt der Einheit. Danach ist also die Spaltung eine besondere Sünde, daß sie beabsichtigt, sich von der Einheit zu trennen, welche von der Liebe hergestellt wird und die da nicht nur ein Glied der Kirche mit dem anderen vereint kraft des Bandes der Liebe, sondern die ganze Kirche zu einer einigen macht in der Einheit des Geistes. „Schismatiker“ also werden jene genannt, die da freiwillig und mit Absicht sich von der Einheit der Kirche trennen, welche die maßgebende Einheit ist. Denn die Einheit einzelner untereinander tritt immer in Beziehung zur Einheit der ganzen Kirche, wie die Verbindung einzelner Glieder im Körper hingeordnet wird zur Einheit des ganzen Körpers. Die Einheit der Kirche nun besteht in zweierlei: 1. in der Gemeinschaft der Glieder der Kirche untereinander; und 2. in der Gemeinschaft aller Glieder mit dem einen Haupte, nach Kol. 2.: „Aufgebläht durch den Sinn ihres Fleisches und nicht festhaltend am Haupte, von dem aus der ganze Körper vermittelst der untereinander verbundenen Glieder und Organe aufgebaut sein Wachstum erhält, um in Gott zuzunehmen.“ Dieses Haupt nun ist Christus; dessen Stelle sichtbarerweise vertritt der römische Bischof. „Schismatiker“ also sind jene, welche es verweigern, dem Papste zu gehorchen und mit den anderen ihm unterworfenen Gliedern der Kirche in Gemeinschaft zu sein.
c) I. Die Trennung des Menschen von Gott ist vom Sünder nicht beabsichtigt; sie geschieht außerhalb seiner Absicht infolge seiner Zuwendung zum vergänglichen Gute. Also ist da kein Schisma im eigentlichen Sinne per se sondern nur auf Grund von etwas Anderem, per accidens. II. Den Geboten nicht gehorchen mit einer gewissen offenen Auflehnung bildet den Wesenscharakter des Schisma. „Mit Auflehnung“, weil der Schismatiker hartnäckig die Gebote der Kirche verachtet und ihrem Urteile sich zu unterwerfen verschmäht. III. Die Häresie steht an und für sich, per se, dem Glauben entgegen; das Schisma der kirchlichen Einheit, also der Liebe. Wie also Glaube und Liebe verschiedene Tugenden sind, mag auch wer den Glauben nicht hat der Liebe ebenfalls entbehren, so ist die Häresie etwas Anderes wie das Schisma; mag immerhin wer Häretiker ist auch damit zugleich Schismatiker sein, aber nicht umgekehrt. Deshalb bemerkt Hieronymus zu Tit. 3. Haereticum hominem: „Zwischen Schisma und Häresie besteht nach meiner Meinung dieser Unterschied, daß die Häresie eine verkehrte Lehre in sich einschließt, während das Schisma von der Kirche trennt;“ mag auch, wie der Verlust der Liebe der Weg ist zum Verluste des Glaubens, so auch das Schisma der Weg sein zur Häresie, wie Hieronymus (gemäß 1. Tim. 1, 6.) bemerkt: „Im Anfange kann wohl das Schisma von der Häresie als verschieden aufgefaßt werden; übrigens aber giebt es kein Schisma, was sich nicht auch eine verkehrte Lehre bildet und somit nach allen Seiten hin mit Recht als von der Kirche getrennt bezeichnet wird.
