Erster Artikel. Der Streit ist Sünde.
a.) Der Streit ist nicht immer Sünde. Denn: I. Der Streit scheint dasselbe zu sein wie der Zank oder das Disputieren; dies aber ist nicht immer Sünde. II. Gen. 19. heißt es: „Die Knechte Isaaks gruben einen Brunnen und um denselben haben sie sich gestritten.“ Sie thaten dies aber jedenfalls mit solcher Öffentlichkeit nicht ohne den Willen Isaaks, der es doch verboten hätte, wenn darin Sünde wäre. III. Streit will bedeuten Krieg in engerem Kreise. Nicht jeder Krieg aber ist Sünde. Auf der anderen Seite wird Gal. 5. der „Streit“ aufgezählt unter den Werken des Fleisches, die nicht erlauben, den Himmel zu besitzen.
b) Ich antworte, wie der Zank einen gewissen Gegensatz in sich schließt mit Rücksicht auf die Worte, so der Streit mit Rücksicht auf Thaten. Deshalb sagt zu Gal. 5. die Glosse: „Streit ist es, wenn man sich aus Zorn gegenseitig schlägt.“ Sonach ist der Streit wie ein kleiner Krieg unter Privatpersonen, der nicht auf eine öffentliche staatliche Autorität sich gründet, sondern vielmehr auf ungeordneten Willen. Streit also ist immer Sünde. Wer nun ungerechterweise beginnt und dem Nächsten in handgreiflicher Weise körperlichen Schaden zufügt, der ist nicht ohne Todsünde. In jenem aber, der sich bloß verteidigt, kann dies manchmal ohne jede Sünde sein und manchmal mit einer läßlichen verbunden; je nach den verschiedenen Bewegungen in der Seele und nach der Art und Weise sich zu verteidigen. Wenn jemand nämlich sich verteidigt, nur um den ungerechten Angriff abzuwehren, und dies mit gebührender Mäßigung thut; so sündigt er nicht, denn von seiner Seite ist kein Streit im eigentlichen Sinne. Wenn aber bei ihm sich Haß und Rachsucht einmengt und die Verteidigungsweise das Maß überschreitet, so ist dies immer Sünde: läßliche, wenn die Unordnung im Willen und in der Verteidigungsweise eine unbedeutende ist; Todsünde, wenn er hartnackig gegen den angreifenden vorgeht, um ihn zu töten oder schwer zu verletzen.
c) I. Isidor (10. Etymol. litt. R.) giebt dreierlei an, wodurch der Streit sich vom Zanken oder dem Disputieren unterscheidet: 1. „der Streitsüchtige ist immer im Herzen bereit zum Streiten,“ mag jemand gut oder schlecht sprechen oder handeln; — 2. „er freut sich am Streit;“ — 3. „er reizt zum Widersprüche oder zum Streite.“ II. Die Einwohner des Landes hatten Streit angefangen gegen die Knechte Isaaks; jene also sündigten, nicht diese. III. Der Krieg, um gerecht zu sein, muß von der gesetzmäßigen öffentlichen Autorität erklärt werden. Der Streit aber hat seinen Grund im ungeregelten Willen, im Hasse oder Zorne einer Privatperson. Denn wenn die Vertreter der öffentlichen Autorität jemanden gesetzmäßig angreift und dieser verteidigt sich; so beginnen den Streit nicht die Vertreter der öffentlichen Autorität, sondern jene, die sich ohne Grund verteidigen und sonach ungeregelterweise.
