Erster Artikel. Das gute Beraten ist eine Tugend.
a) Dies wird geleugnet. Denn: I. „Der Tugend bedient sich niemand zu etwas Schlechtem.“ (Aug.) Des guten Beratens aber bedienen sich manche, um Schlechtes auszudenken und zu vollführen. II. „Die Tugend ist eine Vollendung.“ (7 Physic.) Das gute Beraten aber schließt in sich wesentlich Zweifel ein und Untersuchen, also Unvollkommenes. III. Die Tugenden sind untereinander verbunden, das gute Beraten aber ist nicht mit den anderen Tugenden verbunden; denn viele Sünder beraten gut und manche Gerechte sind darin schwerfällig. Auf der anderen Seite fagt Aristoteles (6 Ethic. 9.): „Das gute Beraten ist die Geradheit im Beratschlagen;“ trägt also den Charakter der Tugend.
b) Ich antworte, zum Charakter der menschlichen Tugend gehöre es, die menschliche Thätigkeit zu einer guten zu machen. Unter den übrigen Thätigkeiten des Menschen aber ist es ihm eigen, zu beraten, d. h. mit der Vernunft zu untersuchen, was zu thun sei. Damit also dies gut geschehe, besteht als Tugend das gute Beraten.
c) I. Daß jemand um eines schlechten Zweckes willm oder wegen schlechter Mittel sich berät, ist kein gutes Beraten; wie auch im Denken es kein gutes Vorgehen der Vernunft ist, wenn das Ergebnis etwas Falsches ist oder aus falschen Voraussetzungen Wahres sich ergiebt, weil der Syllogismus nicht richtig war. Beides also ist gegen das gute Beraten. II. Die Tugend ist allerdings Vollendung; aber eine solche wie sie für den Menschen und seine Lage entsprechend ist, der da nicht schlechthin die Wahrheit einfach schaut. Zudem genügt nicht, daß die Vernunft allein vollendet werde, sondern auch das Begehren; was durch die weit wichtigeren moralischen Tugenden geschieht. Also nicht braucht Alles, was Materie der Tugend ist, schlechthin vollendet zu sein. III. Der Sünder ist als solcher niemals gut beraten. Zudem ist für das gute Beraten auch die Berücksichtigung nicht nur des Zweckdienlichen selber an sich, sondern auch der Umstände: der Zeit, des Ortes, der persönlichen Verhältnisse geboten, was beim Sünder fehlt, wenn er sündigt.
