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Werke Thomas von Aquin (1225-1274) Summa Theologiae Summe der Theologie
Secunda Pars Secundae Partis
Quaestio 58

Erster Artikel. Die Gerechtigkeit ist der beständige und standhafte Wille, einem jeden sein Recht werden zu lassen. (Ulpian de jur. et just. lib. 10.)

a) Dieser Begriffsbestimmung steht Folgendes entgegen: I. Aristoteles schreibt (5 Ethic. 1.): „Die Gerechtigkeit ist ein Zustand, vermittelst dessen die betreffenden befähigt werden, das Gerechte zu thun; und vermittelst dessen sie es wirklich thun und wollen.“ Der „Wille“ bezeichnet aber unterschiedslos das Vermögen und den entsprechenden Akt. Also unzulässigerweise wird gesagt, „die Gerechtigkeit sei der Wille.“ II. Die Aufrichtigkeit oder die Geradheit des Willens ist nicht der Wille; sonst gäbe es keinen verkehrten Willen. Anselmus aber sagt: „Gerechtigkeit ist Geradheit.“ (De Verit. 13.) Also ist die Gerechtigkeit nicht der Wille. III. Der Wille Gottes allein ist beständig. Also wird da unzulässigerweise gesagt: „der beständige Wille.“ IV. Alles Beständige ist standhaft. Also ist es überflüssig hinzuzufügen: „der standhafte.“ V. Einem jeden sein Recht werden zu lassen, gehört dem Fürsten an. Also wäre Gerechtigkeit nur im Fürsten. VI. Augustin (de morib. Eccl. 15.) sagt: „Die Gerechtigkeit ist die Liebe, welche Gott allein dient.“

b) Ich antworte, die genannte Begriffsbestimmung müsse gut verstanden werden. Denn da jede Tugend ein Zustand ist, der das Princip für eine gute Thätigkeit bildet; so wird die Tugend begrifflich bestimmt vermittelst der guten Thätigkeit, soweit diese mit dem eigensten Gegenstande der Tugend sich beschäftigt. Nun ist der Gegenstand der Gerechtigkeit so recht eigentlich die Beziehung zum anderen Menschen. Demnach wird die Thätigkeit der Gerechtigkeit mit Rücksicht auf ihre eigenste Materie und ihren eigensten Gegenstand berührt, wenn gesagt wird, „sein Recht einem jeden werden zu lassen,“ wie Isidor (10 Etymol. litt. 7.) sagt: „Gerecht wird genannt wer das Recht behütet.“ Damit aber eine solche Thätigkeit eine tugendhafte werde, wird im allgemeinen erfordert, daß sie freiwillig, beständig und mit Festigkeit ausgestattet sei; wie Aristoteles schreibt (2 Ethic. 4.), damit jemand etwas Tugendhaftes thue, dazu gehöre, daß er mit Wissen wirke, sodann daß er zweckgemäß wähle, und daß sein Wirken unverrückbare Festigkeit besitze. Der erste Punkt ist im zweiten enthalten, denn wer in Unkenntnis wirkt, der wirkt nicht mit freiem Willen. (3 Ethic. 1.) Deshalb steht in der obigen Begriffsbestimmung zuerst „der Wille“, damit dadurch die Freiwilligkeit des Aktes angezeigt werde; dann wird hinzugefügt „beständig“ und „standhaft“, um die Festigkeit des Wirkens darzuthun. Abgesehen also davon daß hier die entsprechende Thätigkeit anstatt des Zustandes gesetzt wird, der durch die Thätigkeit seinen Wesenscharakter erhält, ist die erwähnte Begriffsbestimmung vollständig. Wer sie in die gebührende Form bringen wollte, der müßte sagen: „Die Gerechtigkeit ist ein Zustand, vermöge dessen jemand mit standhaftem und beständigem Willen jedem sein Recht werden läßt.“ Und das stimmt dann überein mit dem, was Aristoteles sagt (5 Ethic. 5.): „Die Gerechtigkeit ist ein Zustand, gemäß welchem jemand dasteht als handelnd gemäß der Erwählung dessen, was gerecht ist.“

c) I. „Wille“ steht hier für „Wollen“, für die Thätigkeit. So definiert auch Augustin (tract. in Johan. 7, 9.): „Der Glaube ist glauben was du nicht siehst.“ II. Die Gerechtigkeit ist Geradheit insofern sie dieselbe verursacht; denn sie ist „ein Zustand, kraft dessen jemand recht wirkt und recht will.“ III. Die Thätigkeit des Willens ist eine beständige nur in Gott. Aber kraft der Gerechtigkeit will jemand von seiten des Gegenstandes beständig das thun was gerecht ist. Denn nicht genügt es für die Gerechtigkeit, daß jemand hie und da, für eine Stunde etwa, Gerechtes will; sondern er muß den Willen haben, immer und überall das Gerechte zu wollen. IV. „Beständig“ will heißen, daß jemand in seinem Willensakte für immer an der Gerechtigkeit festhalten will; „standhaft“, daß dieser sein Wille Festigkeit hat. Wäre freilich der Willensakt als Akt beständig, wie dies in Gott der Fall ist, so wäre der Zusatz „standhaft“ überflüssig. V. Der Richter giebt jedem das Seine in der Weise eines befehlenden und leitenden; denn „er ist das beseelte Gerechte.“ Der Fürst ist Wächter dessen, was Recht ist. (5 Ethic. 4.) Die Unterthanen geben jedem das Seine in der Weise von ausführenden. VI. Wie in der Liebe Gottes die des Nächsten enthalten ist, so wird darin, daß jemand Gott dient eingeschlossen, daß er dem Nächsten das Gebührende giebt.

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