Erster Artikel. Verspotten jemanden ist eine von den vorgenannten verschiedene Sünde.
a) Dem scheint nicht so. Denn: I. Das Naserümpfen ist dasselbe wie Spotten; dies gehört aber zum Schmähen. II. Nur auf Grund von etwas Schimpflichem wird jemand verlacht, worüber nämlich er errötet. Dies sind aber Sünden, welche, wenn sie offen geschehen, zur Schmähung; wenn heimlich, zur Verkleinerung gehören oder zur Ohrenbläserei. Also ist Verspotten nicht von den vorgenannten Sünden verschieden. III. Durch Verspotten wird dem Mitmenschen in der Ehre, im guten Rufe oder in der Freundschaft Schaden zugefügt. Da aber nach diesem Momente die Sünden gegen den Nächsten dem Wesen nach unterschieden werden, so besteht kein Unterschied zwischen dem Verspotten einerseits und dem Schmähen, Verkleinern, Ohrenblasen andererseits. Auf der anderen Seite vollzieht sich die Verspottung oder das Verlachen im Spiele oder im Scherzen; was bei den vorgenannten Sünden nicht der Fall ist.
b) Ich antworte; die Sünden in Worten sind in ihrem Wesensunterschiede abhängig von der Absicht desjenigen, der die Worte ausspricht. Der schmähende nun will dem betreffenden die äußere Anerkennung der Menschen, die Ehre nämlich, nehmen; der verkleinernde will den guten Ruf vermindern; der Ohrenbläser die Freundschaft zerstören; der verspottende oder verlachende will, daß der verlachte erröte. Danach also ist die letztere Sünde unterschieden von den vorgenannten.
c) I. Das Naserümpfen und die Verspottung kommen im Zwecke überein; sie unterscheiden sich in der Art und Weise des Vorgehens. Denn verspottet wird jemand durch Worte und durch Lachen; das Naserümpfen aber besteht im Aufziehen der Nase, wie die Glosse sagt zu Ps. 2,4. Ein solcher Unterschied jedoch macht keine Verschiedenheit im Wesen. Beides ist indessen von der Schmähung verschieden, wie das Erröten von der Verunehrung; denn das Erröten ist „die Furcht vor der Verunehrung,“ nach Damascenus. (2. de orth. fide 15.) II. Auf Grund des tugendhaften Werkes verdient man Achtung und Ehre bei den anderen, vor sich den Ruhm des eigenen Gewissens, nach 2. Kor. 1. 12.: „Unser Ruhm ist das Zeugnis unseres Gewissens.“ Auf Grund des lasterhaften Werkes also verdient man umgekehrt Verunehrung und üblen Ruf bei den Menschen; und deshalb sagen der schmähsüchtige und der verkleinernde Schimpfliches über den anderen. Vor dem eigenenGewissen aber verliert man in sich selbst bei den Schimpfesworten, welche andere sagen, die Sicherheit eines guten Gewissens vermittelst der Beschämung und des Errötens; und deshalb sagt Schimpfliches der verspottende. Und so hat letzterer denselben Gegenstand mit den vorgenannten; aber nicht den gleichen Zweck. III. Die ruhige Sicherheit des guten Gewissens ist ein großes Gut, weshalb Prov. 15. es heißt: „Ein in sich ruhiger Geist wie ein beständiges Gastmahl.“ Wer also das Gewissen jemandes beunruhigt, indem er ihn beschämt, thut ihm einen speciellen Schaden an; und somit ist Verspotten eine specielle Sünde.
