Zweiter Artikel. Das Verhältnis der Person zum Einzelbestande, zum Für-sich-bestehen, zum Wesen.
a) Es scheint, daß Person ganz und gar dasselbe ist wie Einzelsein oder Subjekt, wie Für - sich - bestehen oder Subsistenz, wie Wesen ober Natur. Denn: I. Boëtius sagt (de duab. nat.): „Die Griechen haben den Einzelbestand oder das einzelne Für-sich-bestehen der Substanz in der vernünftigen Natur ὑπόστασις genannt.“ Das ist aber nichts anderes wie „Person“. Also ist das Einzelbestehen oder Subjekt sein etc. dasselbe wie „Person“. II. Gleichwie wir sagen, in Gott seien drei Personen, so sagen wir, in Gott seien drei, die für sich bestehen, drei Subsistenzen. Also „Person“ und „Für-sich-bestehen“ ist dasselbe. III. Boëtius sagt (in com. Praedicam.): „οὐσία, d. h. Wesen, sei das aus Stoff und Form Zusammengesetzte.“ Was aber aus Stoff und Form zusammengesetzt ist, das ist die einzeln für sich bestehende Substanz, also dasselbe wie Person. IV. Derselbe Boëtius sagt jedoch auf der anderen Seite (de duab. nat.): „daß „Arten“ und Gattungen einzig ein Für-sich-bestehen haben; die Einzeldinge aber beständen nicht allein für sich, sondern sie seien zugleich Träger von hinzutretenden Eigenschaften und Zuständen, welche außerhalb der „Arten“ und Gattungen seien.“ Was aber nur ein Für-sich-bestehen oder Subsistenz hat, das wird insoweit Einzelding genannt; und was Träger von Eigenschaften und Zuständen ist, heißt insoweit Subjekt oder Substanz oder Person. Also ist das Für-sich-bestehen an sich allein nicht dasselbe wie Substanz oder Person. V. Ebenso sagt Botztius (com. Praedic.): „Der zu Grunde liegende Stoff wird Subjekt, Hypostasis, genannt;“ πρόσωπα aber, d. h. Für-sich-bestehendes heißt die Form. Die Person aber kann weder als Form noch als Stoff bezeichnet werden. Also ist die Person verschieden vom Für-sich-bestehen, vom Einzelnen etc.
b) Ich antworte, daß in zweifacher Weise der Ausdruck „Substanz“ verstanden werden kann. Einmal in der Weise, daß damit das Wesen des Dinges ausgedrückt wird, insoweit dieses in der Begriffsbestimmung sich bezeichnet findet; wie z. B. wenn gesagt wird, daß der Mensch seiner „Substanz“ nach ein vernünftiges, sinnbegabtes Wesen ist. Das nennen die Griechen οὐσίωσις. Dann wird unter „Substanz“ das verstanden, was für sich besteht oder Subjekt ist in der Seinsart: Substanz von substare. Und dieses wird gemeinhin mit dem Namen benannt, der eigentlich nur die Meinung oder Auffassung der Vernunft ausdrückt; nämlich mit dem Namen: Suppositum, Träger des Wesens und der hinzukommenden Eigenschaften oder der Accidentien. Ebendasselbe wird auch mit drei Namen benannt, welche auf das wirkliche Sein sich richten. Diese drei Namen sind: 1. Ding der Natur, resnaturae; 2. Für-sich-Bestand oder Subsistenz; 3. Hypostase oder Subjekt, von dem etwas ausgesagt wird. Denn insoweit es für sich allein besteht und weder eine Eigenschaft noch ein Teil in einem anderen ist, heißt es: Für-sich-Bestand oder Subsistenz. Insoweit es aber eine gewisse Natur als erstes Princip des Thätigseins im Dinge selbst trägt, heißt es: Ding der Natur, natürliche Sache. Insoweit es die zur inneren Natur von außen hinzutretenden Eigenschaften, Zustände u. dgl. trägt, heißt es Hypostase oder Suppositum. Und was nun diese drei Namen im allgemeinen bezeichnen in der ganzen Seinsart der Substanzen; das wird mit dem Namen „Person“ ausgedrückt für den Vereich der vernünftigen Substanzen. I. „Hypostasis“ hat allerdings bei den Griechen eigentlich die Bedeutung des Einzelbestandes eines beliebigen Dinges. Der Sprachgebrauch hat es aber eingeführt als besonderen Ausdruck für den Einzelbestand der Substanz in der vernünftigen Natur. II. Für „drei Personen“ oder „drei Substanzen“, substantiis, wie wir sagen, haben die Griechen die Bezeichnung: Hypostasis. Weil aber der Name „Substanz“, der an und für sich wohl dem Worte „Hypostasis“ entspräche, bei uns eine Zweideutigkeit zuläßt, insofern wir damit auch dieNatur oder das Wesen eines Dinges bezeichnen und nicht nur die Hypostasis oder Subsistenz; deshalb wollte man lieber, um jeden Irrtum zu vermeiden, den Ausdruck „Subsistenz“ anwenden. „Wesen“ wird eigentlich das genannt, was durch die Begriffsbestimmung ausgedrückt ist. Die Begriffsbestimmung aber umfaßt die Principien der Gattung bloß; nicht das Princip davon, warum etwas Einzelbestand hat. Deshalb bezeichnet in den aus Stoff und Form zusammengesetzten Dingen das Wesen nicht bloß die bestimmende Form und nicht bloßden bestimmbaren Stoff, sondern das Zusammengesetzte aus Stoff und Form; insofern es indifferent ist für Einzelbestimmungen in Zeit und Ort und also vielmehr im allgemeinen aufgefaßt wird, insoweit Stoff und Form die Principien der allgemeinen Gattung sind. Das Zusammengesetzte aber, insoweit es unter ganz bestimmten Einzelverhältnissen von Zeit und Ort existiert, hat den Charakter der Hypostase und den der Person. Seele und Leib zusammen z. B. sind im allgemeinen Wesen „Mensch“ inbegriffen. Diese bestimmte Seele aber und dieses bestimmte Fleisch und diese bestimmten Knochen gehören diesem einzelnen Menschen an. Die Hypostase oder Person also fügt zum allgemeinen Wesen „Mensch“ hinzu die Principien des Einzelseins und ist in den aus Stoff und Form zusammengesetzten Dingen nicht dasselbe wie das Wesen. (Kap. 3, Art. 3.) IV. Boëtius meint, die „Arten“ und Gattungen subsistierten, weil es einigen Einzeldingen eigen ist, deshalb für sich zu bestehen, weil sie unter „Art“ und Gattung mit einbegriffen sind und somit „Art“ und Gattung substantiell von ihnen ausgesagt werden; nicht als ob er wie Plato meinte, die „Arten“ und Gattungen beständen für sich, getrennt von den Einzeldingen. Träger aber oder Subjekt sein, kommt den Einzeldingen zu, weil sie die Accidentien, nämlich die Vermögen, Eigenschaften, Zustände tragen. V. Träger oder Subjekt solcher Accidentien sein; dies kommt dem aus Stoff und Form zusammengesetzten Einzeldinge zu auf Grund des Stoffes; weshalb Boëtius (l. c.) auch sagt: „Subjekt sein kommt der einfachen Form nicht zu.“ Daß aber diese Dinge ein Für-sich-bestehen haben, das rührt von ihrer Wesensform her, der es eigen ist, nicht Teil oder Eigenschaft eines Anderen zu sein, sondern für sich allein zu bestehen. Deshalb teilt er dem Stoffe zu Träger des Wesens und der Accidentien, Subjekt oder Hypostasis zu sein; der Form aber das Für-sich-bestehen selber, die Subsistenz.
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