Erster Artikel. Die Prahlerei steht im Gegensatze zur Wahrheit.
a) Dem widerspricht Folgendes: I. Der Wahrheit steht gegenüber die Lüge. Bisweilen ist aber mit der Prahlerei keine Lüge verbunden; wie Esther 1. es heißt: „Assuerus machte ein großes Gastmahl, damit er zeige die Reichtümer seiner Herrlichkeit … und prahle mit seiner Macht.“ II. Die Prahlerei wird von Gregor (23. moral. 4.) als eine der Gattungen von Hochmut angesetzt: „Wenn jemand prahlt, zu besitzen was er nicht besitzt.“ Deshalb heißt es bei Jerem. 48.: „Gehört haben wir von dem Hochmute Moabs; hochmütig ist er in hohem Grade; wir „vernahmen seinen Stolz, seine Anmaßung, seine Hoffart, wie er sich erhebt in seinem Herzen. Ich kenne, sagt der Herr, seine Prahlerei und daß seine wirkliche Kraft nicht dem entspricht.“ Danach steht also die Prahlerei vielmehr der Demut entgegen. III. Die Prahlerei scheint vom Reichtume verursacht zu werden, so Sap. 5. steht: „Was nützte uns der Hochmut; und die Prahlerei mit unserem Reichtume, was brachte sie uns ein?“ Danach ist also die Prahlerei im Gegensatze zur Gerechtigkeit oder Freigebigkeit. Auf der anderen Seite stellt Aristoteles (2 et 4 Ethic. 7.) die Prahlerei gegenüber der Wahrheit.
b) Ich antworte, die Prahlerei bestehe zumal in Worten, daß nämlich einer in seinen Reden sich erhebt; wie wenn jemand, um einen Gegenstand weit von sich zu werfen, denselben vorher in die Höhe hebt. Dann aber erhebt sich jemand im eigentlichen Sinne, wann er über sich selber mehr als ihm ziemt spricht. Dies geschieht nun in doppelter Weise: 1. Insofern jemand über sich spricht mehr als die Menschen seinen Wert schätzen, als seine Vorzüge somit vor den Menschen gelten, wenn auch dieselben thatsächlich so sind, wie er sagt. Dies vermied der Apostel, da er sagte (2. Kor. 12.): ) „Ich schone, damit nicht jemand mich schätze über das hinaus, was die Menschen von mir denken.“ Dann erhebt sich 2. der Mensch in Worten, wenn er über das hinaus von sich selber spricht, was in Wirklichkeit in ihm sich findet. Und in dieser letzten Auffassung ist Prahlerei im eigentlichen Sinne vorhanden und danach steht sie im Gegensatze zur Wahrheit.
c) I. Dies betrifft die Prahlerei im ersten Sinne, nach der Abschätzung der Menschen. II. Gemäß ihrer inneren Wesensgattung ist die Prahlerei im Gegensatze zur Wahrheit. Mit Rücksicht auf ihre Ursache geht sie gewöhnlich aus Hochmut hervor; denn deshalb prahlt jemand über das hinaus, was ihm an Vorzügen wirklich innewohnt, weil er in Anmaßung innerlich sich über sich selbst stellt. Manchmal aber kommt der Mensch auch durch eine gewisse leere Eitelkeit dazu, daß er prahlt und daran sich ergötzt; weil das eben seine Gewohnheit ist. Der Hochmut also ist für gewöhnlich die Ursache des Prahlens; und deshalb betrachtet Gregor die Prahlerei als eine Gattung des Stolzes. Da aber meistenteils der Prahler eitlen Ruhm erlangen will durch sein Prahlen, deshalb läßt Gregor die Prahlerei unter dem Gesichtspunkte der Zweckursache aus eitler Ruhmgier entstehen. III. Wohlhabenheit ist 1. Gelegenheit zu Prahlerei, weil man auf Grund derselben stolz wird, wonach ja Prov. 8. der Reichtum hochmütig genannt wird; — 2. ist Wohlhabenheit bisweilen Zweck des Prahlens (4 Ethic. 7.), wie Weise z. B. oder Ärzte mit ihrer Erfahrenheit prahlen, um Geld zu gewinnen.
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