Erster Artikel. Der Zank steht im Gegensatze zur Tugend der Freundschaft oder Leutseligkeit.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Der Zank ist eine gewisse Zwietracht wie der Streit; also der heiligen Liebe entgegengesetzt. II. „Der zornige entzündet Zank.“ (Prov. 26.) Dem Zorne steht entgegen die Sanftmut. III. „Woher die Kämpfe und Streitigkeiten in euch? Nicht etwa von eueren Begierden?“ Den Begierden folgen aber steht im Gegensatze zur Mäßigkeit. Auf der anderen Seite steht Aristoteles. (4 Ethic. 6.)
b) Ich antworte, der Zank bestehe eigentlich in Worten, wenn nämlich der eine dem anderen widerspricht. Dabei ist zweierlei zu beachten: 1. daß jemand dem anderen widerspricht, nicht um der Sache willen, sondern wegen dessen Persönlichkeit, weil also das Band der Liebe zwischen beiden mangelt; und das gehört mehr zur Zwietracht, welche zur Liebe im Gegensatze steht; — 2. daß jemand dem anderen widerspricht, weil er sich nicht scheut, ihn zu betrüben; und so steht der Zank der Leutseligkeit gegenüber, welche lehrt, mit anderen in angenehmer Weise verkehren.
c) I. Der Streit gehört mehr zum Widersprüche, welcher von der Zwietracht herrührt; der Zank richtet sich mehr auf den Zweck, andere zu betrüben. II. Ein einziger Fehler kann aus mehreren Ursachen kommen; danach also wird der direkte oder unmittelbare Gegensatz zwischen Tugenden und Lastern nicht bemessen, sondern nach dem Wesenscharakter des betreffenden Aktes. Der Zank kann somit wohl vom Zorne kommen, aber auch von anderen Ursachen; und demnach ist da kein direkter Gegensatz zur Sanftmut. III. Jakobus spricht von der Begierlichkeit als einem allgemeinen Übel, dem Ursprünge aller Laster: „Gut ist das Gesetz, welches, da es die Begierlichkeit verbietet, alle Sünden verbietet,“ sagt die Glosse zu Röm. 7. (Concupiscentiam nesciebam).
