Zweiter Artikel. Die Hartnäckigkeit ist der Beharrlichkeit entgegengesetzt.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Gregor (31. moral. 17.) sagt: „Die Hartnäckigkeit entspringt der eitlen Ruhmsucht;“ also ist sie zur Hochherzigkeit im Gegensatze. II. Die Hartnäckigkeit ist nicht auf Grund des „zuviel“ im Gegensatze zur Beharrlichkeit; denn auch der hartnäckige giebt manchem Ergötzen und mancher Trauer nach: „Er freut sich, wenn er siegt; er trauert, wenn seine Meinung als schwach nachgewiesen wird.“ Ist sie aber auf Grund des „zu wenig“ der Beharrlichkeit entgegengesetzt, so ist sie dasselbe wie die Weichlichkeit; was falsch ist. Also steht sie zur Beharrlichkeit in keinem Gegensatze. III. Der beharrliche verbleibt im Guten trotz der Trauer; der enthaltsame und der mäßige trotz der Ergötzlichkeiten; der starke trotz der Furcht; der sanftmütige trotz des Zornes. Hartnäckig aber wird jemand genannt, weil er in etwas verbleibt. Also ist die Hartnäckigkeit ebensogut im Gegensatze zu den anderen Tugenden wie zu der Beharrlichkeit. Auf der anderen Seite „verhält sich die Hartnäckigkeit so zur Beharrlichkeit wie der Aberglaube zur Gottesverehrung,“ nach Cicero (2. de lnv.). Also besteht da ein Gegensatz.
b) Ich antworte, hartnäckig heiße jemand (Isidor. 10 EEtymol. S.), weil er einen harten, steifen Nacken hat; d. h., wie Aristoteles sagt (7 Ethic. 9.) weil er an seiner Meinung mehr als gebührend festhält; wie der weichliche weniger als gebührend festhält, der beharrliche aber gerade so wie es sich gebührt. Also wird der hartnäckige getadelt wegen des „zuviel“.
c) l. Der hartnäckige will seinen Vorrang offenbaren; deshalb hält er über Gebühr fest an seiner Meinung. Also kommt die Hartnäckigkeit aus eitler Ruhmsucht, übrigens muß man den Gegensatz der Tugenden und Laster nicht bemessen nach den Ursachen, sondern nach dem inneren Wesenscharakter. II. Der hartnäckige hat ein „zuviel“, weil er ungeregelterweise an etwas festhält trotz vieler Schwierigkeiten; er freut sich aber am Zwecke wie der starke und der beharrliche. Weil jedoch diese Freude fehlerhaft ist, nämlich als zu sehr erstrebt, ähnelt er dem weichlichen. III. Die anderen Tugenden verbleiben trotz des Anstürmens der Leidenschaften; jedoch lobt man sie nicht gerade deshalb, wie dies bei der Beharrlichkeit der Fall ist. Und sonach steht die Hartnäckigkeit direkt der Beharrlichkeit gegenüber.
