Erster Artikel. Die Stärke ist eme Gabe des heiligen Geisten
a) Dagegen spricht Folgendes: I. Die Stärke ist eine Tugend; also keine Gabe des heiligen Geistes. II. Die Thätigkeiten der Gaben bleiben im Himmel; nicht aber die Thätigkeit der Stärke; „denn sie giebt Zuversicht gegen die Übel,“ deren keine im Himmel sind. III. Augustin sagt (2. de doctr. christ. 7.): „Sache der Stärke ist es, von aller Annehmlichkeit der vergänglichen Güter sich selbst zu trennen.“ Also entspricht die Gabe der Stärke vielmehr der Tugend der Mäßigkeit wie der Tugend der Stärke. Auf der anderen Seite steht Isaias 11.
b) Ich antworte, die Stärke besage eine gewisse Festigkeit der Seele. Diese aber erstreckt sich sowohl auf das Gute, was man thun, wie auf die Übel, die man ertragen soll; zumal wenn mit Beidem der Charakter des schwer Erreichbaren verknüpft ist. Kommt nun die der Natur entsprechende Weise in Betracht, so kann nach beiden Seiten hin der Mensch diese Festigkeit haben; daß er nämlich nicht vom Guten absteht wegen der auftauchenden Schwierigkeiten oder wegen eines bedeutenden Übels. Und danach besteht die Tugend der Stärke. Weiter aber wird die Seele des Menschen bewegt vom heiligen Geiste, daß er zum letzten Ende oder zum schließlichen Zwecke des angefangenen Werkes komme und allen entgegentretenden Gefahren entgehe; denn das übersteigt die menschliche Natur. Bisweilen nämlich liegt es nicht in der Macht des Menschen, daß er das Ende seines Werkes erreiche oder die Gefahren vermeide, da er oft vorher dem Tode unterliegt. Das wirkt aber dann der heilige Geist im Menschen, indem Er ihn zum ewigen Leben geleitet; d. h. zum letzten Endzwecke aller guten Werke und der Beendigung aller Gefahren. Und danach hat Bestand die Stärke als Gabe des heiligen Geistes; indem der heilige Geist eine gewisse Zuversicht der Seele einflößt, welche die gegenteilige Furcht zerstreut.
c) I. Die Stärke als Tugend festigt den Menschen, um alle Gefahren zu ertragen; aber sie giebt nicht die Zuversicht, schließlich allen zu entgehen. Dies gehört der Stärke als einer Gabe des heiligen Geistes an. II. Die Thätigkeit der Gabe der Stärke im Himmel ist eine andere wie die auf Erden; nämlich das Genießen der vollen Sicherheit vor allen Gefahren. III. Die Gabe der Stärke berücksichtigt die Tugend der Stärke nicht allein im Ertragen von Gefahren; sondern auch in Allem dem, was für das menschliche Thun schwer erreichbar ist. Und deshalb wird die Gabe der Stärke gelenkt von der Gabe des Rates.
